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“Integration zur Normalität machen”

11.09.2009 23:43, Malte Göbel

Duisburg_Buergermeister

Foto: Milos Djuric

DUISBURG. Der Ruhrpott ist rot, Duisburg hat trotzdem einen CDU-Bürgermeister: OB Adolf Sauerland wurde am 30. August mit 44,6 Prozent im Amt bestätigt, viele mögen ihn und seine joviale Art – er fährt Motoroller statt Auto und hat im seinem Büro ein übergroßes Flugzeug-Modell der Boeing 747 namens “Duisburg”. Noch lieber zeigt er aber ein kleineres Modell des doppelstöckigen Airbus A380, der bald den gleichen Namen tragen soll.

Sie müssen als Duisburger Bürgermeister auch mit SPD-Kollegen zusammenarbeiten. Wie kommen Sie denn miteinander klar?

Ach, mit den Kollegen komm ich gut aus, aber da spielt auch die Parteipolitik kaum eine Rolle. Die Aufgabenstellung ist in den meisten Städten ähnlich. Da ist nicht viel Platz für Ideologien. Manche Städte haben noch Geld dafür, etwa Düsseldorf, aber wir schon lange nicht mehr.

Die rote Vergangenheit des Ruhrgebiets hat sich also erledigt?

Es gibt keine Stammwählerschaft mehr. Davon müssen sich alle Parteien freimachen, zumindest in der Kommunalpolitik ist das so. Natürlich gibt es Potenziale, die wir ansprechen müssen, und da ist Duisburg ohne Frage eine SPD-Stadt. Aber die SPD hat in Duisburg große Probleme, dieses Potenzial kommunalpolitisch in Wähler umzusetzen. Die Analyse sagt, dass die SPD 30% ihres Wählerpotenzials aktiviert hat, die CDU 70%. Und deswegen sind wir ungefähr gleich stark.

Aber die CDU hat gerade ihre Mehrheit im Stadtrat verloren…

Ja, aber auf was für einem Niveau! Ich mache Kommunalpolitik seit gut 30 Jahren, und dieses Niveau hätte ich mir damals nicht vorstellen können! Wir hatten damals immer knapp über zwanzig Prozent. Aber keine Frage, natürlich haben wir uns bei der letzten Wahl mehr versprochen.

Wie mobilisieren Sie?

Durch direkte Ansprache auch außerhalb des Wahlkampfes. Gerade ist Ramadan, und im Wahlkampf waren da viele Kommunalpolitiker unterwegs. Jetzt, seit den Wahlen am vergangenen Sonntag, bin nur noch ich unterwegs. Die Menschen wollen keinen Wahlkampf, sondern permanente Präsenz und Kommunikation mit der Politik. Und das wurde auch honoriert.

In Marxloh war das Ergebnis nicht so gut. Was muss die CDU dort machen?

Die Gegebenheiten des Ortes gut darstellen. In Obermarxloh wurde gesagt, das Ergebnis sei eine Katastrophe, und man kritisierte mich, weil ich mich angeblich zu sehr mit Türken zeige. Aber mein Ergebnis war dort 13 Prozent besser als das der CDU. Wer hat da Recht?

Also fremdelt die CDU mit Ihrer Integrationspolitik?

Was die CDU in fünf Jahren an Integration dazugelernt und an Potenzial entwickelt hat, ist schon enorm. Man sollte die Leute auch nicht überfordern. Jetzt haben wir sechs Jahre Zeit, das weiter zu entwickeln. Da wird sich einiges tun. Nordrhein-Westfalen hat jetzt einen Integrationsminister – das ist in der CDU nicht allen vermittelbar, aber es ist ein Zeichen! Das braucht alles etwas Zeit, aber wir sind auf einem guten Weg. Da sind für die CDU in Städten wie Duisburg richtig große Potenziale.

Welche Vorstellungen haben Sie für Duisburg, die Sie von der SPD abheben?

Wir müssen aus der Struktur einer Montanstadt raus. Aus Nostalgiegefühlen ist das okay, aber es ist nicht die Zukunft dieser Stadt. Die liegt auf anderen Feldern. Stahl ist wichtig für Duisburg, aber da wird es in Zukunft keine weiteren Arbeitsplätze geben. Wir müssen unsere Stadt attraktiver machen, uns zu einer Dienstleistungsstadt wandeln. Städtetourismus ist wichtig, das wird im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 zum Thema. Das sind die Märkte der Zukunft.

Welches Projekt haben Sie als Oberbürgermeister im Auge?

Integration zur Normalität machen. Integration ist kein Problem, es ist ein Potenzial. Ein Problem sind die fehlenden Deutschkenntnisse. Seit fünf Jahren schicken wir Deutschlehrer in die Schulen, das sind meist türkischstämmige Jugendliche, Lehramtsanwärter, die auch die Sprache der Kinder sprechen. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass durch diese Sprachförderung nicht nur die Deutschnoten besser werden, sondern auch die in allen anderen Fächern. Jetzt verstehen sie, worüber in Mathematik geredet wird!

Und wie gehen Sie die Probleme in Stadtteilen wie Marxloh an?

Wenn Sie in Marxloh waren, am Bebelplatz, gucken Sie sich mal um. Einfach mal die Augen aufmachen, was sehen Sie da? Wer sitzt da in den Problemecken? Und wer nicht? Dann kommen Sie zu Erkenntnissen, die will ich Ihnen jetzt nicht vorwegnehmen – die sind schon interessant. Und so ist der Bezirk aufgestellt. Wenn ich das jetzt sagen würde, gibt es nur Kartoffeln von denjenigen, die die Wahrheit nicht hören wollen.

Können Sie es noch etwas mehr andeuten?

Wir haben die junge Bevölkerung. Wir haben die alte Bevölkerung. Und wir haben eine hoch sozial schwache Bevölkerung. Und gucken Sie sich das mal an, wer welchen Hintergrund hat. Mit oder ohne Migrationshintergrund. Sie werden das sofort sehen. Wir waren mit dem WDR da, die haben das gefilmt. Und haben über die Probleme von Migranten in Marxloh gesprochen, und ich habe denen gesagt: Gucken Sie sich das einfach nur mal an. Welches Problem sehen Sie hier?

[Anm. d. Red: Wir sind dieser Frage mit einem Video nachgegangen, offenbar meinte OB Sauerland, dass nicht die Migranten, sondern arbeitslose Deutsche das Problem darstellen]

Wie wollen Sie diese Leute noch mitnehmen?

Wir müssen die mitnehmen! Wir müssen versuchen, Angebote so zu gestalten, dass die nicht sich übergangen sehen, dass die nicht Outsider der Gesellschaft sind. Da brauchen wir staatliche Angebote, da brauchen wir Gelder, um die mitnehmen zu können. Und wir brauchen eine Diskussion um Sozialgesetzgebung. Aber die muss ich nicht führen, das müssen die im Bundestag machen.

Interview: Lena Brochhagen, Malte Göbel

 

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