Wahlfahrt09 » Krise http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 „Die Leute stehen sehr still da und klatschen höflich“ http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9edie-leute-stehen-sehr-still-da-und-klatschen-hoflich%e2%80%9c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259edie-leute-stehen-sehr-still-da-und-klatschen-hoflich%25e2%2580%259c http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9edie-leute-stehen-sehr-still-da-und-klatschen-hoflich%e2%80%9c/#comments Fri, 25 Sep 2009 16:28:00 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=3466 Sabado

Foto: Jörn Neumann

HALLE.Hilda Sabato ist Professorin für Geschichte an der Universität Buenos Aires. Seit sie 2003 Fellow des Wissenschaftskolleg zu Berlin war, besuchte sie das Land regelmäßig. Unter anderem ist sie spezialisiert auf Wahlen und Wahlkampf.

„Bisher war das, was ich vom Wahlkampf mitbekommen habe, sehr langweilig. Es gibt kaum echte Themen, über die sich die Parteien streiten. Heute bei Gysi war das anders. Und ich denke, die Leute waren auch überzeugt. Das sind ganz andere Menschen, die hier in Halle im Publikum stehen. In München, als wir bei Westerwelle waren, trugen die Frauen alle elegante Kleidung. Die jungen Leute sahen gesund aus, die Männer waren gut angezogen. Eine reiche Stadt – und dort kam Westerwelle sehr gut an. Hier in Halle sieht man, dass es den Menschen nicht so gut geht. Und ich habe das Gefühl, Gysi spricht genau zu diesen Menschen.
Bei Künast hat es mir auch gut gefallen. Die Grünen waren alles sehr nette Leute, die überzeugt sind, dass die Dinge besser werden müssen. Ich denke, die Grünen kommen gut an bei Menschen, die Zeit zum Zuhören, Lesen und Nachdenken haben, ein weniger emotionaler Ansatz. Dagegen haben Guido und Gysi eher Slogans, sind eher emotional. Aber das ist auch ein Zeichen kleiner Parteien, dass ihre Botschaft stärker ist, indem sie zeigen, wie sehr sie sich von den Volksparteien unterscheiden.

Ich bin Historikerin und eines meiner Themengebiete ist Leadership, also die Führung von Bevölkerung. Aus argentinischer Warte interessiert mich auch, wie die Deutschen mit der Krise umgehen. Während es bei uns ein richtiges Machtvakuum gab, scheint es aus der Ferne, als habe Deutschland die Krise bislang gut gemeistert. Aber interessant ist doch, dass die Menschen hier bei den Veranstaltungen so ruhig sind. Sie klatschen höflich, aber das wars. Ich vermute, dass viele Leute nicht richtig betroffen sind und deswegen der großen Koalition dankbar sind. Das ist so das, was ich bei Gesprächen auf der Straße mitbekommen habe: Dass es wenig Streit gegeben hat in der Krise. Auf der anderen Seite beschweren wir uns, dass der Wahlkampf langweilig ist.

Es ist schon überraschend, wie ordentlich und zivilisiert dieser Wahlkampf abläuft. Selbst heute bei Gysi, wo gesungen und geschrien wurde und einige Plakate hochgehalten haben. Die Argentinier sind da viel temperamentvoller. Die Deutschen denken nicht, dass diese Wahl ihr Leben verändern wird. In Argentinien haben wir erst seit 20 Jahren eine Demokratie. Und wir denken jedes einzelne Mal, dass alle politischen Handlungen, insbesondere die Wahlen, unser Leben verändern können. Das ist zwar nicht so, aber wir denken es. Also reagieren wir sehr emotional auf Politik. Dazu kommt, dass es viele Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen in Argentinien gibt, die im Wahlkampf an die Oberfläche kommen. Auch das ist hier nicht so. Die Menschen hier stehen sehr still da und hören zu. Ich glaube trotzdem, dass die Botschaft ankommt.“

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„Niemand redet darüber, wie die Krise nach der Wahl bewältigt werden soll“ http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%e2%80%9c/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=%25e2%2580%259eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%25e2%2580%259c http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/%e2%80%9eniemand-redet-daruber-wie-die-krise-nach-der-wahl-bewaltigt-werden-soll%e2%80%9c/#comments Thu, 24 Sep 2009 14:33:53 +0000 Malte Göbel http://www.wahlfahrt09.de/?p=3455 Foto: Jörn NeumannFoto: Jörn Neumann

HALLE. Jay Rowell ist seit 2001 Forscher in Politische Soziologie an der Centre National de Recherche Scientifique (CNRS). Er leitet seit 2007 das Strassburger Forschungsinstitut Groupe de Sociologie Politique Européenne (www.gspe.eu) und ist seit 2006 stellvertretender Direktor vom Centre interdisciplinaire de recherches et d’études sur l’Allemagne. Seine Forschung und Lehrtätigkeit betrifft die Soziologie des Staates, Politisierung und Studien über die Sozialpolitik in Europa und in der EU.

Viele Deutsche finden den Wahlkampf langweilig. Sie auch?

Ja, jeder spielt ziemlich defensiv. Mich erstaunt es besonders, dass gerade die kleinen Parteien nicht in die Offensive gehen. Dabei könnten sie gegenüber der großen Koalition so gut punkten.

Sie haben Westerwelle, Künast und Gysi gesehen – sind die nicht laut?

Westerwelle ist natürlich am lautesten, den habe ich gestern in München gesehen. Er hat von Steuersenkungen gesprochen, war aber nicht überzeugend: Es gab keine konkreten Aussagen, was er in einer schwarz-gelben Koalition machen wird. Es wurden alle Themen angesprochen, Bildung, Wirtschaft, die klassischen Themen der FDP, aber gerade bei Wirtschaftsliberalismus hätte ich mehr erwartet. Der Diskurs bleibt im Allgemeinen und sehr abstrakt, man hätte auch mehr Beispiele nehmen müssen. Das fehlt bei eigentlich allen bis auf Gysi.

Wie erklären Sie sich die Friedlichkeit der Parteien?

Das hat zum Einen mit der Wirtschaftskrise zu tun, die in der Großen Koalition gemeinsam bekämpft wurde. So können weder SPD noch CDU heute sagen, sie würden alles anders machen.  Und zum Anderen hat es mit der politischen Kultur zu tun: Es geht sehr viel um Kompetenz und Sachlichkeit. Das hat man im Kanzlerduell gesehen, da blieb die Diskussion immer sehr sachlich, es fehlte an Emotionen, Bildern und Symbolen. Vielleicht wagt man wegen der deutschen Vergangenheit nicht, populistisch oder emotional zu punkten.

Es fehlen also die strittigen Themen.

Was mich sehr erstaunt ist, dass es in dieser Debatte gar nicht so sehr darum geht, was nach der Wahl kommt. Die Krise ist ja schon ein Jahr alt, und auch wenn es langsam wieder aufwärts geht, kommt erst Morgen die schmerzhafte Entscheidung, wie der Haushalt saniert werden soll, durch Kürzungen oder Steuererhöhungen. Es gibt offenbar einen Konsens, diese schmerzhafte Zukunft nicht anzusprechen. 2005 hat die CDU das gemacht und fast verloren. Hier müssten die Journalisten die Kandidaten herausfordern und nachfragen, wie etwa Steuersenkungen finanziert werden sollen. Westerwelle sagt, das würde die Wirtschaft ankurbeln und sich dadurch refinanzieren, aber weiß seit Reagan 1981, dass das nicht funktioniert. Aber auch die SPD sagt nicht, wie es weitergehen soll, die Grünen mogeln sich um das Thema herum, und Merkel ist ebenfalls in der Defensive und hat Angst, den Wahlsieg noch zu verspielen.

Ist dieser Konsens-Wahlkampf typisch deutsch?

In Deutschland herrscht Konsens: Die Krise ist von außerhalb gekommen, es gibt zwar strukturelle Probleme, aber keine Schuldzuweisungen, nur bei den Linken findet man das. In Frankreich gibt es Versuche, die Schuld für die Krise auf nationaler Ebene anderen zuzuschieben: Weil angeblich Sarkozy und seine Vorgänger Deregulationspolitik betrieben haben.

Würden Franzosen Merkel oder Steinmeier wählen?

Ganz bestimmt nicht! Wobei in Frankreich im Grunde genommen Wahlen wie in Deutschland gewonnen werden: Man verspricht viel, das man hinterher nicht einhalten kann. Nur populistischer. Diese Bescheidenheit der beiden Kandidaten, das wäre in Frankreich unmöglich. Ein aufgeblähtes Ego ist sogar beliebt. Man sucht jemanden, der entscheiden kann, der durchsetzungsfähig ist und viel verspricht, das hat damit zu tun, dass der französische Präsident viel allein entscheiden kann, in Deutschland müssen die Politiker zusammenarbeiten und konsensfähig sein. Das erzeugt dann verschiedene politische Kulturen.

Mit welchen Themen könnte Steinmeier noch punkten?

Ich würde auf die Ängste abzielen, dass die FDP oder Schwarz-Gelb den Sozialstaat abbauen oder Steuern nur für die obere Schicht senken wollen. Das Problem ist, dass die SPD mit Hartz IV Reformen gegen den kleinen Mann gemacht hat, das muss sie jetzt anders machen. Und Steinmeier hat das alles mit entschieden. Daran wird die SPD noch lange zu knabbern haben.

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Schiffbruch für die Politik http://www.wahlfahrt09.de/orte/schiffbruch-fur-die-politik/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=schiffbruch-fur-die-politik http://www.wahlfahrt09.de/orte/schiffbruch-fur-die-politik/#comments Sun, 20 Sep 2009 23:49:23 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=3166 HAfen

Foto: Lu Yen Roloff

WISMAR. Deutschlandweit ist die Werftindustrie von der Wirtschaftskrise betroffen. Die Wismarer Wadanwerft ging im September insolvent. Seither sind in der Stadt 1200 Menschen vorrübergehend bei staatlichen Transfergesellschaften beschäftigt, das Werftgelände stillgelegt. Kurz vor der Wahl wurde nun die Werft an den russischen Investor Igor Jussufow verkauft. Wie kommt der Wahlkampf bei den Wismarern in dieser Situation an?

Wismar, die alte Hansestadt an der Ostsee. Touristengruppen schlendern langsam über den Marktplatz, auf dem die Wahlfahrt09 ihren Stand aufgebaut hat. Dass Wahlkampf ist, sieht man nicht – die Stadt, deren Zentrum zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, hat sich, wie es in der Pressestelle heißt, aus „ästhetischen Gründen“ gegen jede Form von Werbung im historischen Zentrum entschieden. Erst in der so genannten „Welterbe-Pufferzone“ am Hafen beginnen die Plakatierungen der Parteien.
Wahlkampf fände in Wismar praktisch nicht statt, sagt auch Katharina Glücklich, Besitzerin eines kleinen Cafes in der Wismarer Altstadt. „Vielleicht werden mal irgendwo ein paar Fähnchen verteilt, mehr aber auch nicht.“ Generell sei die Stimmung jedoch wieder besser in der Stadt, seitdem der russische Investor Igor Jussufow die Werft für 40 Mio Euro gekauft habe. Laut Schätzungen der IG Metall Küste sollen von den rund 1200 Arbeitsplätzen in Wismar die Hälfte erhalten bleiben. Doch momentan liegt die Montagehalle der Wadan-Werft brach. Nur fünf Sicherheitsleute bewachen das Gelände, die anderen Mitarbeiter warten zuhause darauf, wie es weitergehen soll. Wie kann Wahlkampf in dieser Situation stattfinden? Und was denken die Wismarer Bürger über die Krise? Das Team der Wahlfahrt09 schwärmte in die Stadt aus und sprach mit den Wismarern über ihre Situation.

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Foto: Milos Djuric

Der stellvertretende Bürgermeister

Die Wege der kommunalen Politik in Wismar sind kurz und unbürokratisch. Ob die Oberbürgermeisterin von Wismar Rosemarie Wilcken (SPD) zu sprechen sei, wollte die Wahlfahrt telefonisch vom Pressesprecher der Stadt wissen. Der winkte aus seinem Bürofenster im dritten Stock des Rathauses den Wahlfahrern auf dem Marktplatz zu. Nein, Frau Wilcken sei leider verhindert, aber ihr Stellvertreter Thomas Beyer (SPD) sei da. Etwa eine halbe Stunde später kommt Beyer strammen Schrittes über den Marktplatz gelaufen und setzt sich zum Gespräch ans den Stand. Die Werftinsolvenz sei ein Schock für die Stadt gewesen, andererseits hätte Wismar schon mehrere Werftenkrisen überstanden, sagt er. In so einer Situation müssten sich die Parteien jetzt anstrengen, bei der Bevölkerung von Wismar zu landen. Besonders der Wahlkampf sei schwer: “Das Misstrauen der Leute gegenüber einfachen politischen Parolen ist zu spüren.“ Große Wahlkampf-Veranstaltungen würden erfahrungsgemäß gar nicht funktionieren. Auch könne ein Wahlkämpfer um die derzeitige wirtschaftliche Unsicherheit der Stadt nicht herumreden: „Die Leute wollen konkrete Aussagen, was aus dem Standort Wismar wird. Es bringt nichts, den Leuten das Blaue vom Himmel zu versprechen.“ Dennoch gibt er sich zuversichtlich: „Wir sind krisenerprobt. Die Stadt ist robust und wir können auf die Erfahrung aufbauen, dass sich Engagement lohnt.” Lena Gürtler und Christian Salewski

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Foto: Lu Yen Roloff

Der arbeitslose Schiffbauer

Zischend landen die Würste auf dem Grill vor den alten Kanuschuppen. Seit er arbeitslos ist, verbringt Thomas Fischer viel Zeit in seinem Kanuverein in Wendorf – Kinder trainieren, mit Freunden grillen, selbst aufs Meer rauspaddeln – alles, damit ihm nicht die Decke auf den Kopf fällt. Fischer erinnert sich an seine letzte Nachtschicht in der Montagehalle am 31. Juli. Die Fähre lag zu 85 % fertig im Wasser, am Bug der Schriftzug „Make good times“. In den versteckten Nischen unter Deck habe der ein oder andere ein Nickerchen gehalten – man war ohnehin nur noch pro forma da. Am Schichtende erfuhr Fischer, dass er am nächsten Tag nicht wiederkommen brauche: „Die hatten schlichtweg vergessen, uns Bescheid zu sagen“. Wie viele ehemalige Werftarbeiter wartet Fischer seither auf einen Brief der mit 20,5 Millionen Euro vom Land Mecklenburg-Vorpommern finanzierten Transfergesellschaft, wie es weitergehen soll. Er versuche, Kontakt zu anderen Arbeitslosen zu halten, gehe zu Veranstaltungen der IG Metall. Es gingen viele Gerüchte unter den ehemaligen Arbeitern herum: Dass bereits eine Liste feststünde mit 200 Personen, die wieder beschäftigt werden sollen. „Die Alten und Kranken, die werden aussortiert, klar.“ Fischer hofft auf gute Karten, schließlich sei er erst 40 Jahre alt. Doch Fischer denkt wie viele andere Wismarer, dass der neue russische Besitzer nur Know-How für die vom Unternehmen geplante Werft in St. Petersburg abziehen wolle: „Das wäre dann der Untergang für Wismar“. Die Politik interessiere sich nicht für die Werftarbeiter, ist sein Gefühl: “Opel ist der Regierung wichtiger gewesen.“ Und letztendlich könne sie auch nichts machen: „Die Firma ist Privatbesitz, der kann doch damit machen, was er will.“ Fischer wird die Linke wählen: „Momentan muss Deutschland einfach wachgerüttelt werden – und das kann weder die SPD noch die CDU.“ Lu Yen Roloff

Direktor

Foto: Lu Yen Roloff

Der ehemalige Direktor der Werft

Kleingartenkolonie „Hafenblick“ im Wismarer Stadtteil Wendorf. Dahinter ragt die große Montagehalle der stillgelegten Werft auf. Drei lang verheiratete Ehepaare sitzen bei Zwiebelkuchen und Bier in der Herbstsonne, darunter auch der ehemalige zweite Direktor der Werft. Der Senior kann eisern und mit verschränkten Armen über seinen Namen und seine früheren Aufgaben schweigen, „wegen meiner Frau“, wie er sagt. Die Werft sei zwar seit der Wende immer wieder in der Krise gewesen – aber die jetzige Stilllegung habe eine neue Qualität.
Doch der Wahlkampf gehe wenig auf die aktuelle Krise ein: „Die Plakate sind groß genug, was die wollen, steht drauf – aber was sie am Ende machen können, das kommt dann nach der Wahl“. Er erinnert sich gerne an die Zeit, als die Werft in Wismar nach 1946 als Schiffsreparaturbetrieb der Roten Armee aufgebaut wurde und die Einwohnerzahl der Stadt innerhalb von zehn Jahren von 42.000 auf 55.000 Menschen wuchs. Vor der Privatisierung beschäftigte die Werft noch 6000 Menschen, die Mitarbeiter produzierten auch den Strom und führten jede Reparatur selbst aus: „Davon brauchten wir 1000 Leute gar nicht“, sagt der ehemalige Direktor, „aber wir haben die so mitarbeiten lassen, die waren eingebunden.“ Statt den Menschen Hartz IV zu zahlen, sollte man doch wie damals den Betrieben das Geld geben – und dann eine Arbeitspflicht einführen. Er verschränkt die Arme: „Engels muss man nicht neu erfinden.“ Am Tisch ist man sich einig: „Wir gehen nur zur Wahl, damit die NPD nicht über 5 % kommt.“ Viele Wismarer würden in diesem Jahr wohl die Linke wählen – denn die SPD könne ohnehin nicht alleine regieren. Lu Yen Roloff

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Foto: Lu Yen Roloff

Der Protestwähler

Pitbull Arkie muss Gassi gehen. Heiko P. (32) schlendert über den Radweg, der parallel zur Ostsee zwischen den mit dichten Buchsbaumhecken abgeschirmten Kleingärten entlangführt. Auf der anderen Seite der Bucht rauchen die Schlote seines alten Arbeitgebers Holzegger. Bis letztes Jahr hat Heiko P. dort einen Jahresvertrag gehabt, „gut bezahlt“, sagt er. Dann kam die Wirtschaftskrise und über 50 Leute mussten gehen. Jetzt, wo die Werft 1200 Menschen entlassen habe, sei die Resignation groß unter seinen Freunden.
„Man kämpft sich von Jahr zu Jahr durch“, sagt Heiko P., der vorher im CD-Werk in Dassow gearbeitet hat und dort ebenfalls entlassen wurde. So wie viele Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern hätte auch dieses nur Subventionen abgegriffen: „Die haben für die fünf Millionen Fördergelder erst Sektchen mit dem Wirtschaftsministerium getrunken und dann fünf Jahre später die Firma kaputt gehen lassen.“
Weil er den Vater nach dessen Schlaganfall unterstützen muss, kommt für den gelernten Schlosser nur ein Job in Wismar und Umgebung in Frage. Inzwischen arbeitet er für das Solarzentrum. Schichtarbeit bei einem Dumpinglohn von sechs Euro, 900 Euro mache das im Monat. „Wie soll man davon leben?“ fragt er. „Ich hätte als Proteststimme auch die Linke gewählt“, sagt Heiko P. „Aber die drehen sich doch auch nur nach dem Wind.“ Heiko P. wird dieses Jahr die NPD wählen. Lu Yen Roloff

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Foto: Lu Yen Roloff

Die Mutter

Raus aus der Altstadt, den Berg runter und ins Neubaugebiet. Es ist ruhig zwischen den fünfstöckigen Plattenbauten: Grillen zirpen, von den Balkonen schallt immer wieder Gelächter, zwischen den Häusern hängt die Wäsche zum Trocknen. Früher sei der Kagenmarkt das „Stiefkind“ der Stadt gewesen, inzwischen werde es besser, sagen die Anwohner. Zwar wurden gerade zwei Häuser wegen Leerstand abgerissen, gleich daneben wachsen aber ein neuer Kindergarten und eine Schule. Vor dem Supermarkt sitzt eine junge Frau mit Kinderwagen. Ob sie betroffen von der Kirse ist? „Wie soll sie uns noch treffen?“, antwortet Melanie Konow. „Wir sind sowieso Hartz-IV-Empfänger! Die Chancen auf einen Job sind halt noch schlechter geworden.“ Konow ist 23, hat ein einjähriges Kind, eine Ausbildung als Kauffrau – nur keinen Job. Kürzlich hat sie sich um einen Krippenplatz für ihre Tochter bemüht. „Ich will, dass sie unter andere Kinder kommt und nicht allein auf ihre Bauklötze starrt.“ Als sie beim Amt anrief, erklärte ihr die Sachbearbeiterin: „Sie sind doch arbeitslos und sitzen den ganzen Tag zu Hause. „Darauf habe ich dann gar nichts mehr gesagt.“ Bei ihr im Viertel hängen überall die Wahlplakate der Linken: „Wir kämpfen“ steht dort in dicken Großbuchstaben. Kita-Plätze für alle Kinder ist eine Forderung der Linken. Melanie Konow hat es auf den Plakaten gelesen, später landete noch ein Flyer in ihrem Briefkasten. Die junge Mutter geht dieses Jahr zum ersten Mal wählen, in der Hoffnung auf einen Kita-Platz für ihr Kind. „Mal schauen, ob das klappt, wenn die gewählt werden.“ Ute Zauft

Wismar_Portraits-2Der Pastor

Pastor Roger Thomas öffnet eine schwere Holztür, tritt aus der kühlen Kirche ins Freie. In dem kleinen Pfarr-Hof spielen seine Kinder, dahinter steigen die dunkelroten Backstein-Mauern der Kirche empor. St. Nikolai erhebt sich schon von weitem sichtbar über Wismar. Seit mehr als sieben Jahrhunderten steht die Kirche dort, heute gehören noch 700 Gemeindemitglieder zu St. Nikolai. “Ich sehe nicht, dass die wesentlichen Fragen, die uns hier beschäftigen, von den Politikern aufgegriffen werden. Vollbeschäftigung ist doch eine Illusion. Wir erleben hier jeden Tag das Gegenteil“, sagt Thomas. Einmal in der Woche kommen 90 Leute in die Kirche, um dort Mittag zu essen. Sie haben nicht viel Geld, aber vor allem fehle ihnen der Kontakt zu anderen Menschen. Solchen Leuten Vollbeschäftigung zu versprechen sei unrealistisch und unredliche Politik, sagt Thomas. „Wichtiger wäre es, Menschen eine Form der Arbeit zu bieten, die sie nicht schwach und mürbe macht.“ Auf die Partei seiner Wahl angesprochen, reagiert der Pastor ratlos: „Für mich hat keine der Parteien ein überzeugendes Konzept, das Arbeit, soziales Leben und Gerechtigkeit verbindet.“ Wählen geht er trotzdem, schließlich habe man sich die freie Wahl hier als Bürgerrecht erkämpfen müssen. Lena Gürtler

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TV-Duell: Erstwähler vermissen Klartext http://www.wahlfahrt09.de/menschen/tv-duell-erstwahler-vermissen-klartext/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=tv-duell-erstwahler-vermissen-klartext http://www.wahlfahrt09.de/menschen/tv-duell-erstwahler-vermissen-klartext/#comments Sun, 13 Sep 2009 11:30:32 +0000 C. Salewski http://www.wahlfahrt09.de/?p=2698 Osnabrueck_tvduell_jugendliche

Foto: Milos Djuric

OSNABRÜCK. Normalerwiese schauen sie gemeinsam Fußball. Doch im Fernsehen versuchen sich am Sonntagabend Kanzlerin und Kandidat an so etwas Ähnlichem wie Wahlkampf. In einem Wohnzimmer im Osnabrücker Westen sitzen vier gespannte Erstwähler. Und werden enttäuscht.

Von wegen politikverdrossen! Max ist 19 und durchaus politisch interessiert. Am 27. September wird er zum ersten Mal wählen. So wie seine drei Kumpels Jonas, Oskar und Pierre, die er ins Wohnzimmer seiner Eltern im Osnabrücker Westen eingeladen hat, um mal zu schauen, wie Kanzlerin und Kandidat sich im Fernsehen schlagen. Die vier Jungs machen es sich gemütlich. Füße hoch, ein Bier in die Hand. “Das ist ja wie beim Fußball-Gucken”, sagt Max. Aber erst muss der Sender bestimmt werden. Max zappt durch die Vorberichterstattung. Er entscheidet sich für ARD. “Der Unterschied in der Aufmachung ist voll krass. Bei den Privaten sieht das nach Entertainment aus.” Also öffentlich-rechtliche Solidität.

Die vier Abiturienten haben als Leistungskurs Politik gewählt. Sie wissen schon Einiges über die Themen und Farbenspiele, die in Berlin Konjunktur haben, auch wenn das politische Wissen noch ausbaufähig ist.

Vier Erstwähler, die langsam aber sicher ins politische Bewusstsein tappsen. Sie sind die perfekte Klientel. Jetzt können Merkel und Steinmeier ihnen beweisen, dass demokratischer Streit spannend und aufregend sein kann.

“Anpfiff!”, sagt Pierre. Steinmeier bei seinem ersten Statement. “Der hat echt eine Stimme wie Schröder”, sagt Max. “Aber er ist lange nicht so charismatisch”, wirft Jonas ein. Steinmeier redet von Anstand und Vernunft, die in die Wirtschaft zurückkehren müssten. Jonas beugt sich etwas zu Max rüber. “Das sind doch solche Phrasen.” Erste Enttäuschung.

“Ich finde, die antworten gar nicht, die hören gar nicht auf die Frage”, sagt Pierre. An den Politikersprech müssen sie sich noch gewöhnen. Und auch daran, dass Merkel und Steinmeier sich eher umarmen als sich zu duellieren.

Als Peter Kloeppel fragt, ob die Kontrahenten sich eigentlich duzen, lacht Jonas. “Voll die typische RTL-Frage”, sagt er. “Der will die halt mega-provozieren”, sagt Max. Pierre ergänzt: “Ja, die wollen die richtig gegeneinander aufhetzen.” Endlich die Chance auf ein bisschen Konfrontation im TV. Aber die Kanzlerin wirft ein Wattebällchen nach dem anderen. Kein Vergleich zu Stoiber gegen Schröder findet Max. Der Wahlkampf von 2002 war der erste, den er bewusst verfolgt hat, und die deftige demokratische Auseinandersetzung hat ihm Politik schmackhaft gemacht.

Dann, endlich, ein Thema, das Streit verspricht. Atomkraft. Steinmeier geht die Kanzlerin zum ersten Mal direkt an. Auch auf der Couch wird jetzt diskutiert. “Erneuerbare Energien müssen her”, sagt Max. Die beiden Politiker auf dem Bildschirm seien in dieser Frage aber nicht besonders glaubwürdig. “Das ist ein Thema von den Grünen”, sagt er.

Pierre ist anderer Meinung. “Die Grünen plakatieren Atomfässer und warnen vor schwarz-gelb, aber dann gehen sie in den Ländern mit der CDU in Koalitionen. Das ist Wählerverarschung, finde ich.”

Schon wird es wieder sperrig. Steinmeier spricht über Regulierung der Finanzmärkte. “Irgendwie finde ich den nicht authentisch”, sagt Jonas. Strengere Regeln seien nötig, sagt der Herausforderer. “Ja, und warum hat er das dann nicht gemacht?” will Max wissen. Jonas hat eine Analyse parat: “Steinmeier ist in einer ganz guten Situation. Er kann immer sagen, in der Großen Koalition geht das nicht”. Tatsächlich hat der Herausforderer Oberwasser. Die Kanzlerin steht etwas bedröppelt daneben. “Wie die guckt. Fehlt nur noch, dass die anfängt zu bellen”, sagt Pierre. “Die sagt eh nie, wie sie was machen will. Das ist einfach nur oberflächlich”, findet Jonas.

Merkel verliert im Osnabrücker Wohnzimmer noch weiter an Boden, als sie ihr Glaubensbekenntnis ablegt: “Wachstum schafft Arbeit.” Sie betont jede Silbe einzeln. Es ist ihre zentrale Botschaft und jeder soll sie verstehen. Die Kanzlerin will die Steuern senken. Steuersenkungen? “Das ist doch absolut unglaubwürdig”, findet Jonas. Das sagt auch Steinmeier.

Wieder ein Punktgewinn.

Das Duell plätschert so vor sich hin. Die Jungs wirken so, als würden sie ein Fußballspiel doch etwas spannender finden. Aber sie hören diszipliniert zu. Nach den Schlussworten ist Zeit für ein Fazit. Bei den vier Jungs ist die Sache klar: Beide waren irgendwie öde, aber Steinmeier hat sie überzeugt, auch wenn Merkel “für CDU-Verhältnisse schon ganz cool ist”, wie Jonas sagt. “Bei Steinmeier hätte ich nicht gedacht, dass der so charismatisch ist”, sagt Oskar. Pierre sieht das ähnlich, auch wenn er es schade findet, dass die kleinen Parteien nicht vertreten waren. Und Max meint: “Was nervt, ist, dass die gar nix über Bildungspolitik gesagt haben.” Stellvertretend für alle vier Erstwähler fasst Jonas zusammen: “Ich hab jetzt ein anderes Bild von Steinmeier, positiver als vorher. Das Duell hat er auf jeden Fall gewonnen.” Nach einer kurzen Pause schiebt er nach: “Aber die Wahl wird er trotzdem verlieren.” Die drei anderen nicken zustimmend.

siehe auch: Steinmerkel im TV

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Aufschwung im Abschwung – Camping am Bodensee http://www.wahlfahrt09.de/orte/aufschwung-im-abschwung-camping-am-bodensee/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=aufschwung-im-abschwung-camping-am-bodensee http://www.wahlfahrt09.de/orte/aufschwung-im-abschwung-camping-am-bodensee/#comments Thu, 27 Aug 2009 10:15:58 +0000 Ulrike Steinbach http://www.wahlfahrt09.de/?p=1607

Campen am Bodensee from Milos Djuric on Vimeo.

KONSTANZ. Seit die Deutschen kein Geld mehr für Fernreisen haben, floriert die deutsche Campingwirtschaft. Denn zelten ist billiger und ökologischer. So lernen wir auf einem kleinen Campingplatz am Bodensee, dass man der Krise auch eine gute Seite abgewinnen kann.

Eine Frau telefoniert unüberhörbar, ein junges Paar diskutiert über den Verbleib der Ausweise, zwei Kinder versuchen, über den Rezeptionstresen zu klettern. Doch Klaus Engelmann lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Er ist der Typ netter Onkel. Alle, die hier in der Schlange stehen, muss er heute abweisen: “Wir sind leider ausgebucht, aber ich kann Ihnen einen Campingplatz in der Schweiz empfehlen, ganz in der Nähe, gleich hinter der Grenze”, sagt er und lächelt.

Der Betreiber des Campingplatzes Klausenhorn bei Konstanz am Bodensee ist seit 20 Jahren in der Branche. So voll wie in diesem Sommer war es hier lange nicht: “Wir könnten den Platz doppelt bis dreifach belegen.” Er rechnet mit 60.000 Gästen in dieser Saison – ein Zuwachs von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Woran das liegt? Die Wirtschaftskrise. “Die Leute haben kein Geld mehr für Auslandsreisen, Camping in Deutschland ist einfach billiger”, vermutet Engelmann.

Die Deutschen machen Urlaub im Land

Auf den anderen Plätzen rund um den Bodensee sieht es ähnlich aus. “Auch die Hotels sind sehr zufrieden”, sagt Norbert  Henneberger vom Tourismusverband Konstanz. “Die Prognose hat sich bestätigt: Die Deutschen machen seit der Wirtschaftskrise eher Urlaub im Land.” Der Trend ist ein bundesweiter. Im ersten Halbjahr zählten die deutschen Campingplätze acht Millionen Übernachtungen, ein Plus von 12,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Und die Deutschen campen anders, hat Klaus Engelmann festgestellt: “Vor zehn Jahren sind die Urlauber im Schnitt acht Nächte geblieben, jetzt nur noch viereinhalb.” Viele fragen nach, ob es einen Internetanschluss gibt. Die Leute säßen vor ihren Zelten am Rechner und checkten E-Mails, erzählt Engelmann. “Sie können nicht mehr so lange wegbleiben vom Job.” Und die meisten gingen seltener essen. Statt dessen suchten sie im Discounter gezielt nach Angeboten. Engelmann zeigt auf Regale neben der Rezeption, auf denen Werbeprospekte diverser Supermärkte ausliegen. Urlauber haben sie von ihren Einkäufen mitgebracht.

Dauercampen wird Luxus

Elli und Juray Semper, Dauercamper aus Holzgerlingen, sitzen vor ihrem Wohnwagen in der Sonne. Ein kleines Blumenbeet ziert ihren Essplatz. Im Fenster hängt eine Plüschblume, das Vorzelt ist mit einer Lichterkette geschmückt. Seit 20 Jahren kommen die Sempers nach Klausenhorn. Lange wird das nicht mehr gehen, befürchten sie. 1800 Euro kostet der Platz im Jahr, drei Mal so viel wie noch vor elf Jahren. Bei 1200 Euro Rente ein Luxus.

“Ich geh nicht mehr wählen, ich hab kein Vertrauen in die Politik”, sagt Juray Semper resigniert. “Die schwätzet alle so schee”, fügt seine Frau hinzu. Sich einbringen in die Gesellschaft, auch das kostet Geld. Vereinsbeiträge zum Beispiel. Aber sie wollen das tun, was sie können, im kleinen Rahmen. Wenn sie Pommes machen am Zelt, dann versorgen sie alle Kinder der Parzelle gleich mit. Und ihre fünf Enkel unterstützen sie, soweit sie können. “Ohne Kinder gibt es doch keine Zukunft”, sagt Juray Semper.

Hinter der Buchsbaumhecke, die die Parzellen voneinander trennt, sticht ein dunkelroter Pavillon zwischen weißen Campingwagen hervor. Gelassen dreht sich Wolfgang Csacsko davor eine Zigarette. Früher ist der 50jährige Krankenpfleger nach Norwegen gefahren, auch mal nach Italien und Spanien. “Das ist nicht mehr drin.”

Krise braucht grüne Politik

Einige Meter entfernt mischen sich Kinderstimmen mit Hammerschlägen und Musik. Dort, wo das Gelände an das Strandbad grenzt, baut Heinrich Jehle sein Igluzelt auf. Er versucht es jedenfalls. Wenn nicht gerade der dreijährige Rafael was zu trinken will, die kleine Hannah aufs Klo muss oder der 12jährige Jonas die Luftpumpe sucht. Obwohl der Familienvater aus Nürtingen als Chemiker in der Pharmaindustrie ein gutes Einkommen hat, sei Camping für ihn die einzige Möglichkeit, Urlaub zu machen: “Mit drei Kindern ist alles andere zu teuer.”

Für Klaus Engelmann läuft das Geschäft gut. “Wir sind hier Gewinner der Wirtschaftskrise”, resümiert er. Auf einmal wird sein Blick ganz wach und seine Stimme kräftiger. Man müsse endlich anfangen, Konsequenzen aus der wirtschaftlichen Lage zu ziehen. So wie der 51jährige Engelmann, der vor kurzem Mitglied der Grünen geworden ist. “Die Krise braucht grüne Politik”, sagt er.

Jeder vierte Konstanzer sieht es genau so wie Engelmann. Seit der Kommunalwahl am 7. Juni dieses Jahres hat die Freie Grüne Liste (FGL) mit zehn Mandaten erstmals die Mehrheit im Gemeinderat und löst damit die CDU als bisher stärkste Kraft ab. Das liege vor allem am Bildungsschwerpunkt”, sagen die Mitglieder.

Bildung ist auch Engelmann wichtig, vor allem im Umweltbereich.  Mit 200 anderen Campingplatzbetreibern hat er sich zum Verein “Ecocamping” zusammengeschlossen. Dazu gehört, dass die Toiletten auf seinem Platz mit Wasser aus dem Bodensee gespült werden, Autos vor dem Gelände parken müssen und es Naturbildungsprogramme und Solargrills gibt. Engelmann sieht sich als Vorbild: “Für innovative Ideen werden wir zuerst oft belächelt. Aber die Leute fahren nach Hause und denken darüber nach.”

Die Krise hat ihr Gutes

Der Platz in Klausenhorn ist auf Familien eingestellt. Im Waschraum gibt es Mini-Waschbecken mit Mickimaus-Armatur auf Kniehöhe, im Backhaus können Kinder unter Anleitung Pizza backen, für den Abend hat sich der Zirkus Papperlapapp angekündigt. Klaus Engelmann blättert in einem Fotoalbum: “Das ist ein Vogelstimmenrad, das wollen wir hier vorn aufbauen”, sagt er und weist auf den Vorplatz.

Engelmann freut sich darüber, dass die Urlauber in Deutschland bleiben. Nicht nur, weil sein Campingplatz davon profitiere, wie er betont, sondern auch unter “grünen” Gesichtspunkten: “Es wird weniger Sprit verbraucht und die Leute unterstützen die heimische Wirtschaft.” Statt anstrengender Fernreisen oder Cluburlaub mit Animationsprogrammen sollten sich Familien auf andere Werte besinnen: “Zeit zusammen verbringen, sich miteinander beschäftigen”. Und so hat die Krise auch etwas Gutes.

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