Wahlfahrt09 » Kommunalpolitik http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 “Integration zur Normalität machen” http://www.wahlfahrt09.de/orte/integration-zur-normalitat-machen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=integration-zur-normalitat-machen http://www.wahlfahrt09.de/orte/integration-zur-normalitat-machen/#comments Fri, 11 Sep 2009 21:43:37 +0000 Malte Göbel http://www.wahlfahrt09.de/?p=2487

Duisburg_Buergermeister

Foto: Milos Djuric

DUISBURG. Der Ruhrpott ist rot, Duisburg hat trotzdem einen CDU-Bürgermeister: OB Adolf Sauerland wurde am 30. August mit 44,6 Prozent im Amt bestätigt, viele mögen ihn und seine joviale Art – er fährt Motoroller statt Auto und hat im seinem Büro ein übergroßes Flugzeug-Modell der Boeing 747 namens “Duisburg”. Noch lieber zeigt er aber ein kleineres Modell des doppelstöckigen Airbus A380, der bald den gleichen Namen tragen soll.

Sie müssen als Duisburger Bürgermeister auch mit SPD-Kollegen zusammenarbeiten. Wie kommen Sie denn miteinander klar?

Ach, mit den Kollegen komm ich gut aus, aber da spielt auch die Parteipolitik kaum eine Rolle. Die Aufgabenstellung ist in den meisten Städten ähnlich. Da ist nicht viel Platz für Ideologien. Manche Städte haben noch Geld dafür, etwa Düsseldorf, aber wir schon lange nicht mehr.

Die rote Vergangenheit des Ruhrgebiets hat sich also erledigt?

Es gibt keine Stammwählerschaft mehr. Davon müssen sich alle Parteien freimachen, zumindest in der Kommunalpolitik ist das so. Natürlich gibt es Potenziale, die wir ansprechen müssen, und da ist Duisburg ohne Frage eine SPD-Stadt. Aber die SPD hat in Duisburg große Probleme, dieses Potenzial kommunalpolitisch in Wähler umzusetzen. Die Analyse sagt, dass die SPD 30% ihres Wählerpotenzials aktiviert hat, die CDU 70%. Und deswegen sind wir ungefähr gleich stark.

Aber die CDU hat gerade ihre Mehrheit im Stadtrat verloren…

Ja, aber auf was für einem Niveau! Ich mache Kommunalpolitik seit gut 30 Jahren, und dieses Niveau hätte ich mir damals nicht vorstellen können! Wir hatten damals immer knapp über zwanzig Prozent. Aber keine Frage, natürlich haben wir uns bei der letzten Wahl mehr versprochen.

Wie mobilisieren Sie?

Durch direkte Ansprache auch außerhalb des Wahlkampfes. Gerade ist Ramadan, und im Wahlkampf waren da viele Kommunalpolitiker unterwegs. Jetzt, seit den Wahlen am vergangenen Sonntag, bin nur noch ich unterwegs. Die Menschen wollen keinen Wahlkampf, sondern permanente Präsenz und Kommunikation mit der Politik. Und das wurde auch honoriert.

In Marxloh war das Ergebnis nicht so gut. Was muss die CDU dort machen?

Die Gegebenheiten des Ortes gut darstellen. In Obermarxloh wurde gesagt, das Ergebnis sei eine Katastrophe, und man kritisierte mich, weil ich mich angeblich zu sehr mit Türken zeige. Aber mein Ergebnis war dort 13 Prozent besser als das der CDU. Wer hat da Recht?

Also fremdelt die CDU mit Ihrer Integrationspolitik?

Was die CDU in fünf Jahren an Integration dazugelernt und an Potenzial entwickelt hat, ist schon enorm. Man sollte die Leute auch nicht überfordern. Jetzt haben wir sechs Jahre Zeit, das weiter zu entwickeln. Da wird sich einiges tun. Nordrhein-Westfalen hat jetzt einen Integrationsminister – das ist in der CDU nicht allen vermittelbar, aber es ist ein Zeichen! Das braucht alles etwas Zeit, aber wir sind auf einem guten Weg. Da sind für die CDU in Städten wie Duisburg richtig große Potenziale.

Welche Vorstellungen haben Sie für Duisburg, die Sie von der SPD abheben?

Wir müssen aus der Struktur einer Montanstadt raus. Aus Nostalgiegefühlen ist das okay, aber es ist nicht die Zukunft dieser Stadt. Die liegt auf anderen Feldern. Stahl ist wichtig für Duisburg, aber da wird es in Zukunft keine weiteren Arbeitsplätze geben. Wir müssen unsere Stadt attraktiver machen, uns zu einer Dienstleistungsstadt wandeln. Städtetourismus ist wichtig, das wird im Rahmen der Kulturhauptstadt 2010 zum Thema. Das sind die Märkte der Zukunft.

Welches Projekt haben Sie als Oberbürgermeister im Auge?

Integration zur Normalität machen. Integration ist kein Problem, es ist ein Potenzial. Ein Problem sind die fehlenden Deutschkenntnisse. Seit fünf Jahren schicken wir Deutschlehrer in die Schulen, das sind meist türkischstämmige Jugendliche, Lehramtsanwärter, die auch die Sprache der Kinder sprechen. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass durch diese Sprachförderung nicht nur die Deutschnoten besser werden, sondern auch die in allen anderen Fächern. Jetzt verstehen sie, worüber in Mathematik geredet wird!

Und wie gehen Sie die Probleme in Stadtteilen wie Marxloh an?

Wenn Sie in Marxloh waren, am Bebelplatz, gucken Sie sich mal um. Einfach mal die Augen aufmachen, was sehen Sie da? Wer sitzt da in den Problemecken? Und wer nicht? Dann kommen Sie zu Erkenntnissen, die will ich Ihnen jetzt nicht vorwegnehmen – die sind schon interessant. Und so ist der Bezirk aufgestellt. Wenn ich das jetzt sagen würde, gibt es nur Kartoffeln von denjenigen, die die Wahrheit nicht hören wollen.

Können Sie es noch etwas mehr andeuten?

Wir haben die junge Bevölkerung. Wir haben die alte Bevölkerung. Und wir haben eine hoch sozial schwache Bevölkerung. Und gucken Sie sich das mal an, wer welchen Hintergrund hat. Mit oder ohne Migrationshintergrund. Sie werden das sofort sehen. Wir waren mit dem WDR da, die haben das gefilmt. Und haben über die Probleme von Migranten in Marxloh gesprochen, und ich habe denen gesagt: Gucken Sie sich das einfach nur mal an. Welches Problem sehen Sie hier?

[Anm. d. Red: Wir sind dieser Frage mit einem Video nachgegangen, offenbar meinte OB Sauerland, dass nicht die Migranten, sondern arbeitslose Deutsche das Problem darstellen]

Wie wollen Sie diese Leute noch mitnehmen?

Wir müssen die mitnehmen! Wir müssen versuchen, Angebote so zu gestalten, dass die nicht sich übergangen sehen, dass die nicht Outsider der Gesellschaft sind. Da brauchen wir staatliche Angebote, da brauchen wir Gelder, um die mitnehmen zu können. Und wir brauchen eine Diskussion um Sozialgesetzgebung. Aber die muss ich nicht führen, das müssen die im Bundestag machen.

Interview: Lena Brochhagen, Malte Göbel

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Politik ohne Partei http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politik-ohne-partei/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=politik-ohne-partei http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/politik-ohne-partei/#comments Thu, 10 Sep 2009 18:19:14 +0000 Lena Brochhagen http://www.wahlfahrt09.de/?p=2754 Duisburg_JungesDuisburg-2

Foto: Milos Djuric

DUISBURG. Er war die Nachwuchshoffnung der CDU in Duisburg. Doch vor vier Monaten trat Stephan Krebs, 24, aus der Partei aus – und macht ihr nun mit dem Wählerbündnis “Junges Duisburg” Konkurrenz. Im August gewannen die Jungpolitiker einen Sitz im Stadtrat. Sie fallen auf mit Jugendpolitik und Anti-Parteien-Rhetorik – damit haben solche Abspaltungen immer häufiger Erfolg.

Ein paar Wochen erst machen Stephan Krebs und Christiane Wedding Politik, schon haben sie die gleichen Probleme wie der Oberbürgermeister: Ihre Wahlplakate wurden bemalt. Christiane Wedding hatten sie nur eine Strähne über die Stirn gemalt; Stephan Krebs zierten Bart und Nasenring und auf seiner Stirn stand: “Ich bin doof.”

Stephan Krebs und Christiane Wedding lachen – gegen die flächendeckende Überklebung der Bürgermeisterplakate in der Innenstadt ist das nichts. Und überhaupt geben sich die beiden Studenten ziemlich locker, schließlich hat Krebs nach drei Monaten Wahlkampf einen Sitz im Stadtrat errungen. Aus Frust über starre Hierarchien und Geklüngel hatten Krebs und Wedding mit einem Dutzend Nachwuchspolitiker die CDU verlassen und im Mai “Junges Duisburg” gegründet. “Wertorientierte” Jugendpolitik will das konservative Bündnis machen.

“Junges Duisburg” macht Stimmung gegen die großen Parteien – die Jungpolitiker wettern gegen Klüngel, undurchlässige Hierarchien und mit Posten gekaufte Stimmen. Sie wollen alles anders machen. “Flach” sollen die eigenen Hierarchien sein, basisdemokratisch eben. Jeder soll mitdiskutieren, auch wenn die Treffen dann bis nachts um halb drei dauern. Gute Ideen entstünden so, versichert Krebs “Und die würde nicht rauskommen, wenn man sich in einem Hinterzimmer versteckt – so machen das große Parteien – dann zu Dritt bei einem Pils irgendwas berät und das als Masterlösung verkauft, wenn alle anderen sagen, das ist doch scheiße. Das machen wir eben nicht.”

Mit solcher Kritik agiert “Junges Duisburg” wie viele Parteiabspaltungen, sagt Jan Treibel, Politikwissenschaftler an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen:  “Sie surfen auf der Welle der Parteienverdrossenheit.” Auch mit solcher Kritik hat das Wählerbündnis 55 Mitglieder gewonnen, einige davon Abtrünnige der Jungen Union. Die Mitglieder sind im Schnitt 22,5 Jahre alt.

Jetzt wollen sie einen neuen Politikstil etablieren: “Ehrlich. Einfach ehrlich”, soll der sein, sagt Krebs. Er will den Wähler klar sagen, was das Bündnis vorhat – “auch, dass bestimmte Dinge nicht gehen.” Duisburg hat hohe Schulden, steht unter Finanzaufsicht. Einen eigenen Dienstwagen braucht deshalb nicht jeder Amtsleiter, finden die jungen Konservativen. Und sie sagen, wo sie sparen wollen. Duisburg könnte sich zum Beispiel eine Philharmonie mit den Nachbarstädten teilen, sagt Christiane Wedding.

Konsensfähiger sind die jugendpolitischen Forderungen des Wählerbündnisses: Das Jugendparlament soll ausgeweitet werden, mehr Nachtbusse fahren. Auch die Integration von Jugendlichen will das Bündnis fördern, sagt Vorsitzender Stephan Krebs, der in Marxloh aufgewachsen ist, einem von türkischen Migranten dominierten Stadtteil.

Im Rundgang durch das Viertel erklärt Krebs die Politik von “Junges Duisburg”. Neben seiner alten Grundschule steht das Jugendzentrum “Kiebitz”, das eine türkischstämmige Geschäftsführerin leite. Solche Projekte erleichterten Integration, weil Jugendliche mit Migrationshintergrund sich stärker angesprochen fühlten sagt Krebs, die will er fördern.

Dann führt Krebs zur Merkez-Moschee, die bei ihrer Eröffnung 2008 Schlagzeilen gemacht hat, weil sie ohne den üblichen Zank entstand und die Gemeinde auch nicht-muslimische Nachbarn einbindet. Das “Wunder von Marxloh” gilt als Vorbild, wie Integration ablaufen kann. Auch Krebs präsentiert die offen wirkende Moschee mit den großen Fenstern durchaus mit Stolz.

CDU-nahe Werte, wie sie “Junges Duisburg” vertritt, seien auch für Migranten attraktiv, meint der Jungpolitiker – beim Thema Wahlrecht für Ausländer aber schränkt er ein. Wer lange in Deutschland lebe, solle doch einfach die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, findet auch “Junges Duisburg”-Mitglied Marcel Pinto Abrantes, dessen Großvater aus Portugal zur Arbeit im Duisburger Hochofen kam

Die Inhalte gleichen sich, doch der örtlichen CDU schmeckt die Abwanderung naturgemäß wenig. “Das bedeutet für die CDU, mindestens ein Ratsmandat weniger zu haben und ein hohes Potenzial an jugendlichen Nachwuchskräften zu verlieren”, sagt CDU-Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Er zeigt aber Zuversicht, dass die Jungen wieder eingefangen werden, spricht schon in der Vergangenheit: “Ich fand, das Experiment “Junges Duisburg” war wirklich interessant.” Die Jungpolitiker müssten ihren Erfolg reflektieren, statt ihn schlicht zu genießen: “Es geht nicht darum, sich selbst zu befriedigen, sondern Politik für die Bürger der Stadt zu machen. Das ist ja kein Selbstbefriedigungsorgan, der Rat.”

An Sauerland soll es nicht liegen: Ihn schätzen die Jungpolitiker. In der örtlichen CDU aber müsse sich etwas ändern, sagt der Oberbürgermeister über seine Partei, als gehöre er nicht dazu: “Das ist ihr Potenzial. Und das kann man nicht so einfach ein bisschen rumvagabundieren lassen, das muss man wieder anbinden.” Die Parteioberen müssten mit den Abtrünnigen sprechen.

Ähnlich erklärt Politikwissenschaftler Treibel die Abspaltung. Solche Entwicklungen seien das Ergebnis von Fehlern in der Fraktionsführung: “Dann hat das Politikmanagement versagt.” Politikmanager, etwa Fraktionschefs, müssten Unzufriedene einbinden, doch gerade in größeren Fraktionen falle das schwer.

Abtrünnige Wählerbündnisse gehören daher zum “Charakter der Kommunalpolitik”, sagt Treibel. Auf dieser Ebene sei die Fraktionsdisziplin geringer als in der Bundespolitik. Zudem begünstigt das neue Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen kleinere Gruppierungen – Stephan Krebs zum Beispiel reichten 1858 Stimmen für den Ratssitz. Je ein Sitz ging an vier weitere kleine Wählerbündnisse.

“Junges Duisburg” steht für einen Trend, sagt der Forscher: “Durch das neue Wahlrecht wird es häufiger zu Abspaltungen kommen. Die Räte werden generell bunter.” Dem Wählerbündnis “Junges Duisburg” bescheinigt er Erfolgsaussichten, die Jugendorientierung sei “klares Alleinstellungsmerkmal”. Dass diese Politik sich durchsetzen kann, zeigt die Jung-Partei “Peto” im nahen Monheim. Der “Peto”-Kandidat wurde gerade zum Bürgermeister gewählt. Ein Vorbild, ganz klar, sagt Stephan Krebs.

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Jamaika lässt die Grünen blass aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/#comments Mon, 07 Sep 2009 14:34:56 +0000 Lu Yen Roloff, Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2888 Wiesbaden_jamaika-4

Foto: Milos Djuric

Erschienen am 17. September auf Spiegel Online

WIESBADEN. Darf’s ein bisschen exotischer sein? Das Saarland könnte bald die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene bekommen. Im Wiesbadener Rathaus regiert Schwarz-Gelb-Grün bereits seit 2006. Zu kämpfen haben damit vor allem die Grünen.

Zwischen grünen Luftballons und Kisten mit Waldmeisterbrausetüten macht der Junggrüne Daniel Herwig in der Wiesbadener Fußgängerzone Wahlkampf – und gerät dabei zwischen die Fronten. „Was sagst Du den zur EBS?“ wirft ihm ein grauhaariger Mann mit Rucksack entgegen.

Plötzlich muss Herwig seine Partei gegenüber seinem ehemaligen Sportlehrer verteidigen. Im Stadtparlament haben die Grünen mit ihren Jamaikapartnern dafür gestimmt, ein ehemaliges Gerichtsgebäude mit zehn Millionen Euro zu sanieren, damit dort die European Business School, kurz EBS, einziehen kann. Die EBS macht Wiesbaden zur Universitätsstadt, ist aber auch eine Privatuniversität mit Studiengebühren von 13000 Euro pro Jahr. „Es ist nicht Aufgabe staatlicher Bildungspolitik, versnobbte Manager auszubilden“, empört sich der Lehrer. Er ist selbst seit 1993 bei den Grünen, nun aber enttäuscht über die grüne Fraktion im Stadtparlament, die seiner Meinung nach keine grüne Politik macht. Und überhaupt, gegen das geplante Kohlekraftwerk habe sie sich auch nicht stark genug positioniert.

Wiesbaden ist eine von sechs Kommunen, die den Versuch einer Jamaika-Koalition gewagt haben. Taugt das Beispiel Jamaika für Land oder Bund? Bislang hat es die Zusammenarbeit von CDU, Grünen und FDP noch nie über die kommunale Ebene hinausgeschafft.

Meist sind es die Grünen, die eine Koalition mit ihrem größten politischen Gegner, der FDP, ausschließen. In Frankfurt am Main zerbrach eine bereits ausgehandelte Koalition im Jahr 2001 nach nur einem Tag. Auch im hessischen Wiesbaden startete Schwarz-Gelb-Grün nur deswegen, weil sich SPD und CDU als ursprüngliche Koalitionsaspiranten während der Verhandlungen entzweit hatten. Hier hat die CDU mit 29 Mandaten eine klare Machtposition gegenüber ihren Koalitionspartnern: Die Grünen besitzen zehn Mandate, die FDP sieben.

Massenaustritt bei den Jungen Grünen

Die Ansiedlung der European Business School in Wiesbaden gilt als Prestigeprojekt des Oberbürgermeisters Helmut Müller. Der CDU-Mann ist zwar von den Wiesbadenern direkt gewählt, doch weiß er mit der CDU-geführten Koalition im Stadtparlament eine starke Mehrheit hinter sich. Die Koalition laufe prima, sagt er. „Alle wollen, dass sich die Hochschule in Wiesbaden ansiedelt, damit wir ein Wissenschaftsstandort werden.“

Viele Grüne an der Basis sehen das anders: Nachdem die Fraktion trotz Mitgliederentscheid für die Sanierung des EBS-Gebäudes mit städtischem Geld gestimmt hatte, trat mehr als die Hälfte der Wiesbadener jungen Grünen aus der Jugendorganisation der Partei aus. Ihr Vorwurf: Statt öffentliche Schulen zu sanieren, stütze man teure Privatunis. Auch der Junggrüne Herwig sagt, die grüne Fraktion vertrete ihre Positionen innerhalb der Koalition bisweilen nicht selbstbewusst genug – aus Angst vor einem Koalitionsbruch.

Die Wiesbadener haben ihre eigenen Meinungen zu der Koalitionsdisziplin der Grünen. Zwischen den Wahlkampfständen steht Rentner Herbert Müller – und spricht aus, was viele über die Grünen denken: „Die Grünen haben sich entlarvt: Wenn es um die Macht geht, dann wird verkleistert.“ Jamaika sei ein reines Zweckbündnis von Individuen, die sich gut bezahlte Posten sichern wollten. Für den ehemaligen Verwaltungsangestellten Müller ist die Sache klar: „Dabei kommt etwas raus, was nicht Fisch und nicht Fleisch ist – was die Grünen unter Jamaika machen, kann niemals grüne Politik sein.“

Streit ums Kohlekraftwerk

Noch deutlicher werden die Schwierigkeiten von Jamaika, wenn es um das geplantes Kohlekraftwerk geht. Das Kraftwerk, das der lokale Energieerzeuger bauen will, widerspricht der grünen Forderung nach einer nachhaltigen Energiepolitik. Im Koalitionsvertrag steht allerdings nur, dass die Koalition den Bau des Kraftwerks „kritisch“ sehe. An diesem Punkt sagt selbst der sonst loyale Junggrüne Herwig: „Das klingt für mich wie ausgeklammert.“ Tatsächlich rächte sich die vage Formulierung, als der Bau 2007 akut wurde: Die Bürger gingen auf die Straße, in der Stadt gründete sich ein Bündnis gegen das Kraftwerk, und die grüne Parteibasis forderte die Fraktion zum Handeln auf: Unter Führung der Fraktion solle das Stadtparlament den Vorstand des Energieerzeugers zum Baustopp auffordern. Trotz Veto von FDP und CDU brachten die Grünen den Antrag ein und gewannen dafür eine Mehrheit außerhalb der Koalition. Jamaika drohte zu zerbrechen.

In der Konfrontation mit Jamaika kann die SPD mit einer starken Oppositionspolitik punkten. Im Gegensatz zu den Grünen konnten sie sowohl gegen das Kohlekraftwerk als auch gegen die Sanierung des Gerichtsgebäudes für die Privatuni klar Position ergreifen. „Die SPD hat nichts dagegen, wenn Grüne und FDP sich streiten“, sagt Christoph Manjura. Er ist jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rathaus. Am Wahlkampfstand verteilt er wie seine Genossen Kugelschreiber und Flyer an vorbeischlendernde Passanten. Die SPD freut sich über den Zwist in der Koalition, hört man auch von anderen am Stand: Ließe sich doch jeder Kompromiss in der Koalition sowohl gegen die Einen wie die Anderen verwenden.

Atmosphärische Störungen

Beim CDU-Stand will man vom Stunk mit der grünen Fraktion dagegen zunächst nichts wissen. Karsten Koch, Sprecher für Planung, Bau und Verkehr, lobt sogar den Verkehrssprecher der Grünen als „verlässlichen Mann“: „Es läuft inhaltlich gut, wir können ordentlich was vorweisen“, sagt er. Man habe „überraschende Gemeinsamkeiten“ festgestellt, die auch auf Bundesebene bestünden: Etwa den Schutz des ungeborenen Lebens und die Bewahrung der Schöpfung vor Gentechnik. Da lägen christlicher Hintergrund und grüne Ansichten nah beieinander. Gut, es gebe gewisse „atmosphärische Störungen“ bei den Grünen, fügt er dann hinzu. „Man bekommt mit, dass Jamaika für die Fraktion eine große Zerreißprobe ist. Wir hoffen, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält.“

Im Streit um den Grünen-Antrag zum Kohlkraftwerk konnte die Koalition gerade noch dadurch gerettet werden, dass der Bürgermeister den außerkoalitionären Beschluss als rechtswidrig ablehnte: Das Parlament könne nicht in die geschäftlichen Entscheidungen des Energieerzeugers eingreifen. Aufgrund der Wirtschaftskrise hat der Energieerzeuger inzwischen Schwierigkeiten, den Bau des Kohlekraftwerks zu finanzieren. Ob das Kohlekraftwerk kommt, ist derzeit offen, doch der Konflikt bleibt ungelöst.

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Eine Person, zwei Ämter http://www.wahlfahrt09.de/orte/interessenkonflikt-in-der-okostadt/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=interessenkonflikt-in-der-okostadt http://www.wahlfahrt09.de/orte/interessenkonflikt-in-der-okostadt/#comments Wed, 02 Sep 2009 10:21:11 +0000 Paula Scheidt http://www.wahlfahrt09.de/?p=1720
Martin Halm, stellvertretender Bürgermeister, vor dem Rathaus von Schönau

Martin Halm, stellvertretender Bürgermeister, vor dem Rathaus von Schönau (Foto: Milos Djuric)

SCHÖNAU. Martin Halm (41) ist Geschäftsführer der deutschlandweit tätigen Elektrizitätswerke Schönau (EWS) und seit kurzem stellvertretender Bürgermeister der Stadt Schönau. Die SPD sieht zwischen diesen beiden Ämtern einen Konflikt – Halm hingegen Synergieeffekte.

Halm ist im Stress. „Eigentlich kann ich zu Fuß vom Rathaus zur EWS gehen“, sagt er. Trotzdem nimmt er zurzeit das Auto. Bürgermeister Seeger ist in Urlaub und Martin Halm vertritt ihn so lange. Seit acht Jahren ist Halm Geschäftsführer von EWS Schönau, seit einem Monat als Mitglied der Freien Wähler zusätzlich stellvertretender Bürgermeister der Stadt. Das Amt ist ehrenamtlich. Vormittags kommt er für ein bis zwei Stunden ins Rathaus, nachmittags sitzt er im Büro von EWS.

Nichts prägt Schönau so sehr wie die Elektrizitätswerke. Als „Stromrebellen aus dem Schwarzwald“ ist die Gründerfamilie Sladek inzwischen deutschlandweit bekannt. Zwar kommt der Strom aus norwegischen Wasserkraftwerken, aber Schönau ist Sitz der Firma und steht schon fast symbolisch für Ökostrom. „Es kommt oft vor, dass jemand einfach auf unseren Hof läuft und sehen will, woher sein Strom kommt“, erzählt Halm. Außerdem bieten die EWS ihren Kunden regelmäßig Seminare zum Thema Energie an. Viele Teilnehmer würden dann gleich im Anschluss hier Urlaub machen, erklärt Halm – das fördert natürlich den Tourismus.

Nicht alle waren damit einverstanden, dass Halm die beiden Ämter gleichzeitig besetzt. Als er beschloss, zu kandidieren, forderte die SPD das Landratsamt auf, den Fall zu prüfen. „Die hatten Angst, dass die EWS hier in der Stadt zu stark wird“, sagt Halm. Aber das Landratsamt teilte diese Sicht nicht. Halm durfte kandidieren und gewann.

„Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, die Ortsmitte stärker zu beleben“, sagt Halm. Neben dem Schönauer Rathaus ist gerade eine Tiefgarage gebaut worden. Nun muss der Gemeinderat entscheiden, wie die Fläche darüber genutzt werden soll. Anfangs war der Plan, ein „Betreutes Wohnen“ für ältere Menschen zu bauen. Aber der Dorfplatz werde oft für Veranstaltungen genutzt, das mache ziemlich viel Lärm. Deshalb hätte Halm gerne, dass die Sparkasse an den Platz zieht. „Das würde viele Menschen ins Zentrum locken“, sagt Halm.

Zu Halms Bedauern hat die Sparkasse selbst aber kein Interesse an einem Umzug. Sie befindet sich derzeit an der Hauptstraße des Ortes und profitiert vom Durchfahrtsverkehr. Wenn sie dort wegziehen würde, wäre sie für Auswärtige schwieriger zu finden.

Einen Beitrag zur Belebung der Stadt leistet bereits das Gymnasium. Es wurde vor zwei Jahren direkt gegenüber vom Rathaus und in unmittelbarer Nähe zur Kirche errichtet. Halm ist stolz auf den schicken Neubau. Etwa 500 Schüler aus der Region kommen täglich hierher. Das Gebäude hat 9,5 Millionen Euro gekostet. „Anfangs wollte das Regierungspräsidium in Freiburg die Summe nicht genehmigen“, sagt Halm. Es wäre billiger gewesen, die Schule außerhalb des Ortes auf der freien Wiese zu bauen. Aber dann wären nie so viele Jugendliche nach Schönau gekommen.

„Eigentlich müsste ich die beiden Ämter trennen“, sagt Halm. Aber oft habe es Vorteile, über beide Seiten Bescheid zu wissen. Manchmal spart die Stadt laut Halm dadurch sogar. So haben die EWS auf dem Dach des neuen Gymnasiums Photovoltaikanlagen angebracht, die ihr teilweise noch gehören. Neben Halm gibt es noch eine zweite Stellvertreterin. Deshalb fürchtet er auch keine Interessenkonflikte. “Ich entscheide ja nicht alleine, sondern meistens im Team.“

Schoenau_uebersicht

Schönau liegt im Schwarzwald und hat etwa 2500 Einwohner (Foto: Milos Djuric)

]]> http://www.wahlfahrt09.de/orte/interessenkonflikt-in-der-okostadt/feed/ 0 „Wir müssen unseren Hintern hochkriegen“ http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-mussen-unseren-hintern-hochkriegen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wir-mussen-unseren-hintern-hochkriegen http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-mussen-unseren-hintern-hochkriegen/#comments Tue, 18 Aug 2009 13:27:03 +0000 Kathleen Fietz http://www.wahlfahrt09.de/?p=1291 Halle_Kaufhaus_quer

Foto: Michael Bennett

HALLE. Wie viele ostdeutsche Städte hat auch Haale an der Saale mit Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsrückgang zu kämpfen. Das zu ändern, ist Janis Kapetsis Mission: Mit Jazz, einem Bürgerverein und einem Designkaufhaus.

Mit staubigen Schuhen läuft Janis Kapetsis durch die große Eingangshalle. Dunkel und ein wenig feucht ist es in dem über hundert Jahre alten Kaufhaus. Von den Decken hängen Tapeten in langen dünnen Fetzen, das Bild erinnert an Tropfsteinhöhlen. Trotz Staub und blättrigen, mit Graffiti besprühten Wänden ist die einstige Schönheit des Jugendstilbaus noch zu erkennen: Lange Säulen reichen von der großen Eingangshalle bis hinauf zu dem gläsernen Kuppeldach, das aus DDR-Zeiten noch zugeklebt ist.

13_Janis_Kapetsis

Foto: Michael Bennett

„Halle hat ein unglaubliches kreatives Potential, wir wollen das hier bündeln und kommerziell vermarkten“, sagt Janis Kapetsis, als er eine morsche Holztreppe nach oben steigt. Das marode Kaufhaus hat der 44-Jährige zusammen mit einem Geschäftspartner Anfang dieses Jahres ersteigert. Ein Design-, Kultur- und Medienkaufhaus wollen sie daraus machen. Die kreative Szene Halles sitzt vor allem an der Kunst- und Designhochschule Burg Giebichenstein, an der auch Kapetsis 1985 bis 1990 Design studiert hat.

Was klingt wie ein ambitioniertes Kunstprojekt, ist eine Geschäftsidee, mit dem Unternehmen in die Innenstadt gelockt werden sollen. Design- und Modeläden mit Wellnessangeboten und Lounge im Erdgeschoss, Firmen aus der Medien- und Designbranche in den oberen Galerien – so der Plan. Janis Kapetsis, Cabrioletfahrer, braungebrannt, sportlich, mit Dreitagebart und kurzen Haaren ist ein dynamischer Geschäftsmannes durch und durch. Erfolgreich und zudem überall in der Stadt engagiert: Als sich Leipzig als Olympiastadt bewarb, war er Marketingbeauftragter für den Co-Standort Halle, er sponsert die Hallensischen Basketballfrauen, die in der ersten Bundesliga spielen, und seine Agentur kreiert die aktuelle Werbekampagne des ansässigen Stromanbieters.

Janis Kapetsis Vater kam Anfang der 50er Jahre nach Halle. Er gehöre zur so genannten verlorenen Generation Griechenlands, erzählt der Sohn. Partisanen hatten im Bürgerkrieg Tausende von Kindern in sozialistische Länder verschickt. Mit seinem Vater kamen zwanzig andere Griechen nach Halle, deshalb gab es in Kapetsis Schule auch Griechischunterricht. Ein Produkt designte Kapetsis noch für die DDR-Produktion, bevor die Wende kam: Einen Gepäckträger für den Fahrradhersteller Mifa, der 1988 eine Silbermedaille auf der Leipziger Messer gewann. Produziert wird der heute noch, aber Geld verdient der Hallenser damit nicht, er hatte versäumt das Ost-Patent in Westdeutschland rechtzeitig anzumelden. „Ich bin halt ein doofer Ossi gewesen“, kokettiert er.

Die Wende verstand der zielstrebige Hallenser nicht als Karrierebruch, sondern als Chance. Als selbständiger Designer entwarf er Restaurants und Schlafwagen für russische Hochgeschwindigkeitszüge. 1997 gründete er seine eigene Agentur „Kappa“ und spezialisierte sich auf Kommunikationsdesign, er arbeitet heute vor allem für Unternehmen aus der Immobilien- und Versorgungswirtschaft in ganz Deutschland. Seit drei Jahren betreibt der dreifache Vater zudem mit einem Partner einen Internethandel für hochwertige Designprodukte.

„Und da hinten könnte man dann…“, sagt Kapetsis und zeigt ans Ende der großen Eingangshalle des Kaufhauses. Er führt den Wirtschaftsanwalt Wolfgang Matschke durch das Gebäude, da sich einer seiner Mandanten dafür interessiert. „Kapetsis ist einer der kreativsten Köpfe dieser Stadt. Und er ist gleichzeitig ein guter Geschäftsmann und das gibt es selten“, sagt Matschke, der früher Kanzler der Universität war.

Die beiden gehen vom Kaufhaus aus über den nahe gelegenen Universitätsplatz. Eine große Freitreppe führt zu den im 19. Jahrhundert entstanden Universitätskomplex, daneben das neu gebaute, verglaste Audimax. Dazwischen schlängeln sich enge Gassen mit kleinen Häusern aus der Barock- und Renaissancezeit, zwischen die immer wieder Plattenbauten gesetzt wurden. „Kuschelig, kleinbürgerlich und auch proletarisch und dann die Hochkultur und Wissenschaft – das ist Halle“, sagt Kapetsis. Händel ist in der Stadt geboren, die Gelehrtengesellschaft der Leopoldina und die Franckesche Stiftungen haben ihren Sitz hier in der Saalestadt. „Halle ist die verkannteste Stadt Deutschlands, wir brauchen Botschafter wie Kapetsis“, sagt Matschke.

Was man von dem schönen zentralen Universitätsplatz aus nicht sieht, ist Halle-Neustadt, wo Erfolgsgeschichten wie die von Kapetsis eher nicht zu finden sind. Bis 1990 eine eigenständige Industriestadt um die Chemiewerke Leuna und Buna Schkopau ist die ehemalige Arbeiterstadt heute vor allem von Leerstand und Arbeitslosigkeit gezeichnet. 1990 wurden Halle und Halle-Neustadt zusammengelegt. Von den mehr als 300 000 Einwohner zu Wendezeiten sind heute nur noch 232 000 übrig.

20_Halle Zentrum

Foto: Michael Bennett

„In Halle ist Anfang der 90er Jahre nichts passiert, um wieder Wirtschaft anzusiedeln. Das macht mich heute noch sauer“, sagt Kapetsis und zum ersten Mal verschwindet sein Lächeln. Deshalb gründete er vor sechs Jahren den Bürgerverein „Wir für Halle“ mit, der es dann mit drei Sitzen in den Stadtrat schaffte. Doch auch mit politischer Teilhabe konnte er weniger als erhofft bewegen. „Es ist wie auf Bundesebene: Durch die vielen kleinen Parteien und Bürgervereine dauern Entscheidungsprozesse unheimlich lange und kreative Ideen werden oft abgeschmettert“, erklärt er. Eine solche Idee war etwa, freie Bauflächen an Investoren zu verschenken und an die Schenkung eine Bauverpflichtung zu koppeln, um Unternehmen in die Region zu locken.

Zurück in der Agentur. Mit seinen Angestellten sitzt Kapetsis in der Küche, jeden Tag kocht jemand für die gesamte Crew. Elf Festangestellte arbeiten derzeit in der Agentur, sein Internethandel verzeichnet trotz Wirtschaftskrise Umsatzzuwächse. Als mittelständigen Unternehmer ärgern ihn die politischen Rettungsaktionen großer Banken und Wirtschaftsunternehmen. „Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit. Große marode Unternehmen werden gerettet, obwohl sie Fehler gemacht haben und die machen die kleinen ehrlichen Mittelständler kaputt“, beklagt er sich und fordert Steuererleichterung als Anerkennung für solides Wirtschaften. Bei der Bundestagwahl wird der klassische Wechselwähler diesmal der CDU seine Stimme geben. „Eine Medienkanzlerin ist Angela Merkel nicht, aber ihr rationales Denken ist mir wichtiger“, erklärt er die Entscheidung.

Inzwischen ist Kapetsis von vielen Ämtern zurückgetreten, engagiert sich aber nach wie vor in der Stadt. So etwa mit dem ersten europäischen Frauen-Jazzfestival, das er seit fünf Jahren mitorganisiert. Eine Kneipenidee mit zwei Freunden, Kapetsis hatte damals kaum Ahnung von Jazz. Inzwischen kommen jährlich bis zu 4000 Besucher zu dem Event. Jetzt fordert er vom Land finanzielle Unterstützung. „Wir haben gezeigt, dass man so etwas mit privatem Engagement stemmen kann. Jetzt nützt es dem Land und deshalb sollen die jetzt mit ran“, erklärt er.

Kapetsis steht auf dem Dach seines Kaufhauses. Er hofft, es 2011 zu eröffnen; in diesem Jahr wird in den baufälligen Räumen noch eine große Kunst- und Designausstellung stattfinden. „Wir müssen unseren Hintern hochkriegen, müssen einfach besser sein als andere und mit innovativen Ideen Touristen und Unternehmen begeistern“. Wie oft, wenn Kapetsis das Wort „wir“ benutzt, ist nicht ganz klar, ob er gerade die Kunstszene, die Hallensischen Unternehmer oder Politiker oder die ganze Stadt Halle meint. Denn für ihn gehört das alles zusammen.

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Foto: Michael Bennett

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Ein Garten für Glaucha http://www.wahlfahrt09.de/orte/ein-garten-fur-glauchahalle/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=ein-garten-fur-glauchahalle http://www.wahlfahrt09.de/orte/ein-garten-fur-glauchahalle/#comments Mon, 17 Aug 2009 13:33:15 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=1413

HALLE. Junge Leute engagieren sich nicht mehr für ihr Umfeld? Einige Hallenser Studenten beweisen das Gegenteil. Aus einer Brache haben sie in mühevoller Arbeit einen Nachbarschaftsgarten geschaffen. Sie wollen, dass sich unterschiedliche Bewohner des Viertels treffen können.

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“Wir baden aus, was in Berlin vergeigt wird” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird http://www.wahlfahrt09.de/menschen/wir-baden-aus-was-in-berlin-vergeigt-wird/#comments Sat, 15 Aug 2009 15:35:00 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=347 CDU

Foto: Michael Bennett

GÖRLITZ. Thomas Leder ist Görlitzer und seit 1990 CDU-Stadtrat und Vorsitzender des Fördervereins Stadthalle Görlitz e.V.

Welches politische Profil haben Sie?

Ich beschäftige mich mit Bauplanung und dann bin ich im Förderverein Stadthalle Görlitz e.V. Die Stadthalle ist ein Thema, dass die Görlitzer bewegt. Sie spielt in jedem Wahlkampf eine große Rolle. Seit 2004 ist die einzige große Halle zwischen Dresden und Breslau geschlossen. Das Jugendstilgebäude hat eine weltweit einmalige Orgel. Aber die Probleme werden immer größer, sie wieder zu eröffnen. Stadthallen benötigen immer einen Zuschuss. Der liegt bei 200.000 – 400.000 Euro, das ist schwer für eine Stadt wie Görlitz, die einen Nothaushalt hat. Wir haben Museen, ein schönes Theater, ein philharmonisches Orchester und haben Jugendarbeit und den Sport zu unterstützen. Das sind die so genannten „freiwilligen“ Aufgaben – Jugendarbeit, Sozialarbeit, Sport und Kultur.

Wir im Förderverein können informieren, fragen, ansprechen, mahnen. Aber wir können noch nicht einmal andeutungsweise die 25 Millionen Investition aufbringen, die für den Erhalt der Halle nötig sind. Wir können nur die Politik darauf hinweisen, jetzt oder nie. Die Sache anzugehen wird in keinem Jahr besser, Investition und Zuschuss werden nie besser werden, die Kosten steigen eher von Jahr zu Jahr. Deswegen ist jegliches Warten eigentlich unlogisch.

Wie ist es Görlitz seit der Wende ergangen?

Görlitz war eine Stadt, die zwar im Krieg kaum zerstört wurde, aber eine ruinöse Bausubstanz hatte. Hier war fast jede Fassade grau und die Altstadt war nur noch zu einem ganz geringen Prozentsatz bewohnt. Jetzt ist es die schönste Stadt Deutschlands, wie Prof. Kiesow, der Vorsitzende der deutschen Stiftung für Denkmalschutz, sagt. Wer die blühenden Landschaften in Görlitz nicht sieht, der lebt in einer Parallelwelt. Wir sind wirklich aus Ruinen auferstanden, hier haben die Zuschüsse aus dem Solidarpakt wirklich gegriffen. Jetzt kommt die Kehrseite: Dadurch, dass eine Innenstadt da war mit leerstehenden Wohnungen und der Sozialismus dazu Satellitenstädte baute, haben wir jetzt hohe Leerstände, das ist ein Problem.

Ein weiteres großes Problem war bis vor wenigen Jahren die Lage an der polnischen Grenze, die sich langsam bessert. Wer hier selbstständig ist, bekommt zum halben Radius keinen Auftrag. Man kann sich meist nur zu einer Seite der Neiße orientieren. Denn noch geht das wirtschaftliche Zusammenwachsen mit Polen sehr langsam. Es gibt auch Schwierigkeiten mit der Grenzkriminalität. Da müßte auch der Staat auch eine Zeitlang noch Polizisten zuführen, statt wie jetzt BGS-Truppen abzuziehen. Gerade Kleinkriminelle lassen sich von mehr Polizei abschrecken. Das größte Problem ist die Arbeitslosigkeit, bei der die Kommune einen guten Rahmen bieten muss.

Nach welchen Kriterien entscheiden die Wähler ihrer Meinung nach?

Mit Sachthemen ist es ganz schwer, Politik zu machen, die Leute wählen oft nach dem Bauch. Das Problem ist, dass das Wissen um die Probleme eine gewisse Detailkenntnis verlangt, die oft nicht da ist. Wenn der Wähler sich nicht hinsetzt und in der Tagespresse verfolgt, welche Lobby kämpft warum gegen wen, kann er gar nicht verstehen, worüber er abstimmt. Er kann die Parteiprogramme nicht verstehen, machen sie mal ne Umfrage, wer ein Wahlprogramm gelesen hat.

Wie sind ihre Eindrücke als Politiker, was entscheidet in Görlitz die Wahlen?

Die Kommunalpolitik ist immer hautnah dran an den Leuten und wir baden aus, was in den Berlin vergeigt wird. Die Leute schauen viel nach Berlin, Kommunales und Bundesweites wird immer vermischt. Ein großes Thema ist die Gesundheitsreform, das merken die Leute tagtäglich, dass sie zuzahlen, dass die Medikamente kleinere Packungsgrößen haben, die Wartezeiten beim Arzt sich der DDR-Zeit annähern. Neulich wollte ich einen HNO-Termin, da hätte ich sechs Wochen warten müssen. Gesundheit ist ein ganz heißes Thema und ärgert die Leute jeden Tag.

Für die Kommunalpolitik ist schwierig, weil wir mit immer weniger Geld auskommen müssen. Die Einrichtung von Kitas bedeuten Millionen an Mehrkosten, woher nehmen? Wir sollen Jugend- und Sozialarbeit machen und haben kein Geld, können uns Kulturarbeit nicht mehr leisten. Und wie soll man aus diesem Topf für sogenannte „freiwillige“ Aufgaben noch die Stadthalle finanzieren? Dabei ist Kultur auch ein weicher Standortfaktor, gerade für den Mittelstand. Und der bringt die meisten Jobs.

Interview: Lu Yen Roloff

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