Wahlfahrt09 » Bildung http://www.wahlfahrt09.de Mon, 03 May 2010 15:28:35 +0000 en hourly 1 http://wordpress.org/?v=3.2.1 Wahlfahrt09 – das war’s http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlfahrt09-das-wars/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlfahrt09-das-wars http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wahlfahrt09-das-wars/#comments Mon, 28 Sep 2009 13:29:07 +0000 Lu Yen Roloff http://www.wahlfahrt09.de/?p=3404

20090928_wahlfahrt09_reichstag

Foto: Jörn Neumann

DEUTSCHLAND. Deutschland vor der Wahl jenseits der politischen Ballungszentren erleben – die Wahlfahrt09 reiste in 50 Tagen durch 20 Orte im Norden, Süden, Osten und Westen Deutschlands: Dabei führte die Tour über Eisenhüttenstadt hinunter nach Konstanz, über Leidingen nach Duisburg-Marxloh, in den hohen Norden nach Breitenfelde und Wismar, übers Wendland und schließlich nach Haldensleben in der Börde.

Am Wahlfahrt09-Stand zwischen den Fachwerkhäusern der Altstadt Haldensleben. Wochenlang haben wir gewartet, um 18 Uhr sind die Prognose und die ersten Hochrechnungen da: Mehrheit für Schwarz-Gelb. Ein Passant mit Sonnenbrille und Eishörnchen kommentiert: “Also ich hab die nicht gewählt.” Auch das Team der Wahlfahrt09 ist überrascht – denn Menschen, die CDU und FDP nahe stehen, haben wir auf unserer 50-tägigen Reise durch 20 Orte kaum getroffen.

Ein Rückblick auf einen Wahlkampfbesuch auf dem Heumarkt in Köln vor zwei Wochen: An diesem Abend wird Steinmeier auftreten, schon am frühen Nachmittag prangt der überdimensionale SPD-Würfel auf dem leeren Platz. Die Volkspartei gibt sich modern und interaktiv: Die Jusos haben junge Frauen angestellt, die andere Frauen mit einem „Ich kann Aufsichtsrat“-Schild fotografieren. An einem Touchscreen lassen sich personalisierte Wahlkampfprogramme ausdrucken. Eine Hartz-IV-Empfängerin humpelt über den Platz. Nach zwei Bandscheibenvorfällen kann die ehemalige Fleischerin nicht mehr arbeiten. Sie will sich Steinmeier nicht ansehen, denn die Politiker, sagt sie, lügen doch alle.

Viele sehen keine Perspektive mehr

„Wir dürfen das Ziel der Vollbeschäftigung nicht aufgeben“, tönt Steinmeier am Abend auf dem Höhepunkt seiner Wahlrede. Es wirkt antrainiert, ein reiner Slogan. Selbst Stammwähler der Partei, die in einer Kneipe am Rand sitzen, überzeugt das nicht. In ganz Deutschland gibt es zur Zeit 3,47 Millionen Arbeitslose, Tendenz steigend. Die Schaffung von Arbeitsplätzen steht in jedem Parteiprogramm – bei einigen auch gemeinsam mit dem kleinen Bruder der Vollbeschäftigung, dem Mindestlohn. Menschen wie die Fleischerin treffen wir oft auf der Wahlfahrt: Die sich von niemandem repräsentiert fühlen, die vieles verloren haben, die keine Perspektive mehr für sich sehen.

In Wismar sind durch die Schließung der Werft 1200 Menschen in Kurzarbeit. In Halle hat der Strukturwandel ganze Stadtteile entvölkert. Die Krise findet sich sogar in wohlhabenden Kommunen wie Konstanz – dort waren in diesem Jahr die Campingplätze ausgebucht, weil viele Deutsche kein Geld mehr für den Auslandsurlaub haben. Selbst in Wiesbaden mit seiner hohen Millionärsdichte stehen die Arbeitslosen trotz öffentlichem Trinkverbot in den Seitenstraßen.

Deutsche Problemecken

In Duisburg-Marxloh, wo türkische Brautmodenläden viele deutsche Geschäfte verdrängt haben, bevölkern vor allem Deutsche die „Problemecken“ des Stadtteils. So nennt der dortige CDU-Bürgermeister Adolf Sauerland die deutschen Drogenabhängigen auf den Bänken am Marktplatz, die seit der Schließung der Fixerstube keinen Anlaufpunkt mehr haben. In der Marktklause gegenüber von unserem Stand sitzen schon früh morgens die Alkoholiker und trinken ihre Schnäpschen zu lauter 80er Jahre Schlagermusik. Zwischen denWahlkampfplakaten von Linkspartei und SPD hängen Schilder mit dem Slogan „Aufbau Duisburg statt Aufbau Ost“.

Diese Beobachtungen sind zum Teil natürlich auch dem Konzept der Wahlfahrt09 geschuldet: Wir parken an zentralen Plätzen der Stadt, arbeiten dort an Biertischen unter freiem Himmel. Natürlich treffen wir also vor allem Leute, die keinen Ort haben, an dem sie sein müssen: Arbeitslose, Rentner, Obdachlose. Ihre Probleme bekommen wir auf der Wahlfahrt09 besonders häufig mit. Viele sind unzufrieden: Sie bekommen zu wenig Rente, zu wenig Hartz IV, reden sich in Rage, werden laut, deuten mit Zeigefingern auf uns, wenn sie die Politiker beschimpfen, mal als Abzocker, mal als Lügner, mal als Verbrecher.

Aufbau Ost, Abbau West

Das ist 20 Jahre nach der Wiedervereinigung im Osten wie im Westen gleich. In Eisenhüttenstadt, wo seit der Wende tausende Arbeitsplätze verloren gegangen sind, wird gerade für 630 Millionen Euro ein neues Papierwerk gebaut, gefördert mit Mitteln der EU – ein Tropfen auf den heißen Stein, gerade mal 600 neue Arbeitsplätze sollen entstehen. Im niederfränkischen Hof leiden die Betriebe unter der Konkurrenz aus dem Osten, die noch gefördert wird – während im Westen, wo nichts zu fördern ist, das Problem der Arbeitslosigkeit viel stärker zu Tage tritt.

Dort lässt sich die Arbeitslosigkeit noch nicht einmal mit dem Versagen des Sozialismus erklären. Unsere Reise macht deutlich, dass die gesellschaftlichen Veränderungen und die Verwerfungen in der internationalen Arbeitsteilung viel weiter reichen, als es die Deutschen wahrhaben wollen. Mag sein, dass Deutschland Exportweltmeister ist, dass eine zukünftige Bildungsoffensive oder der Ausbau regenerativer Energien und grüner Technologien zukünftige Generationen beschäftigen wird – aber Hunderttausende sind im Hightechland überflüssig geworden. Sie sitzen jetzt in den Problemecken, lungern vor dem Supermarkt herum, sammeln Flaschen und durchwühlen Mülleimer.

Engagement und Gesicht zeigen

Doch es gibt auch Lichtblicke: Es kommen viele engagierte Menschen zum Wahlfahrt09-Stand. Sie arbeiten ehrenamtlich für Bürgerinitiativen, den städtischen Sicherheitsdienst in Görlitz oder als Sporttrainer im Wismarer Kanuverein. Menschen, die sich für konkrete Anliegen engagieren: Der Rentner, der sich für das deutsch-polnische Verhältnis in der Grenzstadt Görlitz-Zgorzelec einsetzt und gegen die NPD Gesicht zeigt; der Azubi, der in seiner Freizeit im Bürgerradio die Spitzenkandidaten des Landtags interviewt oder die Studenten vom Postkult e.V. in Halle-Glaucha, die mit einem Gemeinschaftsgarten gegen den Leerstand in ihrem Stadtteil ankämpfen und die Bürger dort wieder zusammen bringen wollen. Viele von ihnen sind Bildungsbürger, Rentner, Akademiker und Studenten.

Auf eine Bewegung der sozial Schwachen treffen wir aber nicht. Ein LKW-Fahrer, den wir auf einem Rastplatz trafen, drückte es so aus: „Wir könnten ja mal demonstrieren gehen. Aber dafür geht es uns wohl noch nicht schlecht genug.“ Nur einige Hartz-IV-Empfänger in Wiesbaden machen den Gegenangriff auf die öffentliche Wahrnehmung: Die „Initiative neue soziale Gerechtigkeit“ plakatiert alle zwei Wochen die Stadt mit schwarzweißen Postern, auf denen sie von Schikanen, Demütigungen und rechtswidriger Behandlung von Hartz IV-Empfängern sprechen und die Mitarbeiter zuständiger Behörden namentlich anprangern. Mehrheitsfähig sind sie mit ihrem umstrittenen Vorgehen aber nicht.

Ganz besonders leise sind die Frauen. Wir sprechen Passantinnen gezielt an, weil von selbst immer nur die Männer kommen. Sie sagen zwischen den Zeilen, dass sie in der Krise Besseres zu tun haben als zu politisieren. Wer soll sich um Kinder und Haushalt kümmern, wenn die Männer auf den Straßen abhängen? Wie das Überleben sichern? Manch eine gesteht, dass es ohne die Lebensmittelspenden von der Tafel nicht ginge.

Afghanistan, Europa und Außenpolitik sind kein Thema

Wohl auch, weil die Bundeswehr ein sicherer Arbeitgeber ist, gibt es von den Menschen, die im Bundeswehrstandort Sigmaringen leben, kaum Kritik am Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Nur selten gab es so etwas wie grimmige Solidarität und Unterstützung für “unsere Jungs da unten”. Für viele junge Männer sind die Bonuszahlungen für Auslandseinsätze eine willkommene Einnahmequelle, auch wenn nur wenige wirklich vom Sinn des Einsatzes überzeugt sind. Afghanistan ist ein Thema, das weder im Wahlkampf noch in unseren Gesprächen an vorderster Stelle stand. So war es auch mit anderen außenpolitischen Fragen, etwa wie Deutschland sich innerhalb Europas positioniert.

Aus der Perspektive der ausländischen Wahlbeobachter, die wir am Rande eines Wahlauftritts von Gregor Gysi in Halle trafen, ist besonders die wichtigste Frage im Wahlkampf ausgeklammert worden: Wie die Wirtschaftskrise und das Arbeitslosenproblem eigentlich konkret gelöst werden sollen, sobald die Wahl vorbei ist. Der Franzose Jay Rowell wundert sich: „Es müssen schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden, wie der Haushalt saniert werden soll, durch Kürzungen oder Steuererhöhungen.“ Offenbar gebe es einen Konsens, „diese schmerzhafte Zukunft nicht anzusprechen.“

Auch sein holländischer Kollege Ton Nijhuis wundert sich über den Wahlkampf: Wenn viele Menschen nicht daran glaubten, dass die Politik die Arbeitslosigkeit bekämpfen könne, werde das von den Wahlforschern als „Politikverdrossenheit“ interpretiert: „Ich würde sagen, das ist Realismus erwachsener Bürger, die genau wissen, dass man viele Versprechungen aus dem Wahlkampf nicht einhalten kann.“

Die Wahlfahrt09-Analyse

Gleichzeitig fischt Gregor Gysi auf dem Hallenser Marktplatz nach Proteststimmen: „Selbst wenn Sie Grüne oder SPD wählen wollen – wenn Sie wollen, dass diese Parteien wieder sozialere Politik machen, müssen Sie die die Linke wählen.“ Protest wählen scheint vielen Menschen die letzte Lösung zu sein: Linkspartei, NPD oder ungültig stimmen.

Die politische Stimmung im Land, das ist das Fazit der Wahlfahrt, ist stark abhängig von der ganz persönlichen Lebenssituation der Menschen. Die Grünen wählen diejenigen, die unter Flugschneisen und in der Nähe des Atommüll-Zwischenlagers in Gorleben wohnen.

Und so betrachten wir am Ende unserer Reise das Wahlergebnis aus der Perspektive unserer Gesprächspartner: Zwar hat die Koalition aus CDU und FDP genug Stimmen bekommen, um das Land zu regieren. Aber nimmt man die rund 30 Prozent Nichtwähler und die vielen Protestwähler zusammen: Dann stehen hinter diesem Wahlergebnis vor allem Millionen Deutsche, die ein Gefühl eint: Keine Wahl gehabt zu haben.

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TV-Duell: Erstwähler vermissen Klartext http://www.wahlfahrt09.de/menschen/tv-duell-erstwahler-vermissen-klartext/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=tv-duell-erstwahler-vermissen-klartext http://www.wahlfahrt09.de/menschen/tv-duell-erstwahler-vermissen-klartext/#comments Sun, 13 Sep 2009 11:30:32 +0000 C. Salewski http://www.wahlfahrt09.de/?p=2698 Osnabrueck_tvduell_jugendliche

Foto: Milos Djuric

OSNABRÜCK. Normalerwiese schauen sie gemeinsam Fußball. Doch im Fernsehen versuchen sich am Sonntagabend Kanzlerin und Kandidat an so etwas Ähnlichem wie Wahlkampf. In einem Wohnzimmer im Osnabrücker Westen sitzen vier gespannte Erstwähler. Und werden enttäuscht.

Von wegen politikverdrossen! Max ist 19 und durchaus politisch interessiert. Am 27. September wird er zum ersten Mal wählen. So wie seine drei Kumpels Jonas, Oskar und Pierre, die er ins Wohnzimmer seiner Eltern im Osnabrücker Westen eingeladen hat, um mal zu schauen, wie Kanzlerin und Kandidat sich im Fernsehen schlagen. Die vier Jungs machen es sich gemütlich. Füße hoch, ein Bier in die Hand. “Das ist ja wie beim Fußball-Gucken”, sagt Max. Aber erst muss der Sender bestimmt werden. Max zappt durch die Vorberichterstattung. Er entscheidet sich für ARD. “Der Unterschied in der Aufmachung ist voll krass. Bei den Privaten sieht das nach Entertainment aus.” Also öffentlich-rechtliche Solidität.

Die vier Abiturienten haben als Leistungskurs Politik gewählt. Sie wissen schon Einiges über die Themen und Farbenspiele, die in Berlin Konjunktur haben, auch wenn das politische Wissen noch ausbaufähig ist.

Vier Erstwähler, die langsam aber sicher ins politische Bewusstsein tappsen. Sie sind die perfekte Klientel. Jetzt können Merkel und Steinmeier ihnen beweisen, dass demokratischer Streit spannend und aufregend sein kann.

“Anpfiff!”, sagt Pierre. Steinmeier bei seinem ersten Statement. “Der hat echt eine Stimme wie Schröder”, sagt Max. “Aber er ist lange nicht so charismatisch”, wirft Jonas ein. Steinmeier redet von Anstand und Vernunft, die in die Wirtschaft zurückkehren müssten. Jonas beugt sich etwas zu Max rüber. “Das sind doch solche Phrasen.” Erste Enttäuschung.

“Ich finde, die antworten gar nicht, die hören gar nicht auf die Frage”, sagt Pierre. An den Politikersprech müssen sie sich noch gewöhnen. Und auch daran, dass Merkel und Steinmeier sich eher umarmen als sich zu duellieren.

Als Peter Kloeppel fragt, ob die Kontrahenten sich eigentlich duzen, lacht Jonas. “Voll die typische RTL-Frage”, sagt er. “Der will die halt mega-provozieren”, sagt Max. Pierre ergänzt: “Ja, die wollen die richtig gegeneinander aufhetzen.” Endlich die Chance auf ein bisschen Konfrontation im TV. Aber die Kanzlerin wirft ein Wattebällchen nach dem anderen. Kein Vergleich zu Stoiber gegen Schröder findet Max. Der Wahlkampf von 2002 war der erste, den er bewusst verfolgt hat, und die deftige demokratische Auseinandersetzung hat ihm Politik schmackhaft gemacht.

Dann, endlich, ein Thema, das Streit verspricht. Atomkraft. Steinmeier geht die Kanzlerin zum ersten Mal direkt an. Auch auf der Couch wird jetzt diskutiert. “Erneuerbare Energien müssen her”, sagt Max. Die beiden Politiker auf dem Bildschirm seien in dieser Frage aber nicht besonders glaubwürdig. “Das ist ein Thema von den Grünen”, sagt er.

Pierre ist anderer Meinung. “Die Grünen plakatieren Atomfässer und warnen vor schwarz-gelb, aber dann gehen sie in den Ländern mit der CDU in Koalitionen. Das ist Wählerverarschung, finde ich.”

Schon wird es wieder sperrig. Steinmeier spricht über Regulierung der Finanzmärkte. “Irgendwie finde ich den nicht authentisch”, sagt Jonas. Strengere Regeln seien nötig, sagt der Herausforderer. “Ja, und warum hat er das dann nicht gemacht?” will Max wissen. Jonas hat eine Analyse parat: “Steinmeier ist in einer ganz guten Situation. Er kann immer sagen, in der Großen Koalition geht das nicht”. Tatsächlich hat der Herausforderer Oberwasser. Die Kanzlerin steht etwas bedröppelt daneben. “Wie die guckt. Fehlt nur noch, dass die anfängt zu bellen”, sagt Pierre. “Die sagt eh nie, wie sie was machen will. Das ist einfach nur oberflächlich”, findet Jonas.

Merkel verliert im Osnabrücker Wohnzimmer noch weiter an Boden, als sie ihr Glaubensbekenntnis ablegt: “Wachstum schafft Arbeit.” Sie betont jede Silbe einzeln. Es ist ihre zentrale Botschaft und jeder soll sie verstehen. Die Kanzlerin will die Steuern senken. Steuersenkungen? “Das ist doch absolut unglaubwürdig”, findet Jonas. Das sagt auch Steinmeier.

Wieder ein Punktgewinn.

Das Duell plätschert so vor sich hin. Die Jungs wirken so, als würden sie ein Fußballspiel doch etwas spannender finden. Aber sie hören diszipliniert zu. Nach den Schlussworten ist Zeit für ein Fazit. Bei den vier Jungs ist die Sache klar: Beide waren irgendwie öde, aber Steinmeier hat sie überzeugt, auch wenn Merkel “für CDU-Verhältnisse schon ganz cool ist”, wie Jonas sagt. “Bei Steinmeier hätte ich nicht gedacht, dass der so charismatisch ist”, sagt Oskar. Pierre sieht das ähnlich, auch wenn er es schade findet, dass die kleinen Parteien nicht vertreten waren. Und Max meint: “Was nervt, ist, dass die gar nix über Bildungspolitik gesagt haben.” Stellvertretend für alle vier Erstwähler fasst Jonas zusammen: “Ich hab jetzt ein anderes Bild von Steinmeier, positiver als vorher. Das Duell hat er auf jeden Fall gewonnen.” Nach einer kurzen Pause schiebt er nach: “Aber die Wahl wird er trotzdem verlieren.” Die drei anderen nicken zustimmend.

siehe auch: Steinmerkel im TV

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Wahlkampf nach der großen Pause http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/wenn-politiker-mit-schulern-nicht-uber-bildungspolitik-reden-wollen/#comments Fri, 11 Sep 2009 10:30:05 +0000 Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2424 Foto: Milos Djuric

Fotos: Milos Djuric

DUISBURG. Die Aula des Marxloher Berufskollegs ist voller Erstwähler, Wahlkampftermin mit den Direktkandidaten des Wahlkreises. Eine einmalige Gelegenheit für die Politiker, die Schüler für ihre Parteien zu begeistern – sollte man meinen. Nur merkwürdig, dass sie mit den Jungwählern nicht über das reden wollen, was sie eigentlich interessiert: Bildungspolitik.

Die Vorhänge sind zugezogen, nur die Bühne ist beleuchtet. Vor der Mittagspause sind die Oberstufenklassen dazu eingeladen, mit ihren Direktkandidaten zu diskutieren. Auf dem Podium sitzen fünf Männer, alle jenseits der 40. Einzig der Direktkandidat der Linken stammt ursprünglich nicht aus Deutschland – und das in einem Stadtteil, in dem mehr als  jeder Dritte einen Migrationshintergrund hat. Die CDU hat in Marxloh einen schweren Stand: Bei der Bundestagswahl 2005 kam sie auf 19,7 Prozent, die SPD auf mehr als doppelt so viel.

Beginn der Diskussion: Volker Mosblech von der CDU ist stolz auf die Errungenschaften der sozialen Marktwirtschaft, die einen stabilen Ordnungsrahmen biete. Er plädiert für Tarifautonomie und gegen Mindestlöhne. Aus dem Publikum hört man leise Buhrufe. Eine Schülerin hält ihr Arme nach oben und die Daumen gen Boden. Eine andere fragt über Mikrofon, wie die Wirtschaft in 50 Jahren funktionieren soll, wenn sie alle jetzt keine Ausbildungsplätze bekommen.

Hüseyin Aydin von den Linken ergreift seine Chance: Er fordert eine Ausbildungsabgabe, damit wieder mehr Betriebe ausbilden. Lauter Applaus. 25 Milliarden Euro müssten in den Bildungsbereich investiert werden, dann ginge es auch wieder mit der Wirtschaft bergauf. Finanzieren ließe sich das mit einer stärkeren Besteuerung von Einkommen über 60.000 Euro. Diese Vorschläge seien ja schön und gut, erwidert Thomas Wolters von der FDP, aber es gebe einfach nichts zu verteilen. „Lassen Sie sich vom Populismus der Linken nicht einlullen!“ Murmeln im Publikum. Einer der Schüler, der die Diskussion leitet, bittet die Parteien, sich nicht gegenseitig anzugreifen.

90 Minuten soll die Diskussionsrunde dauern. Trotz einer langatmigen Debatte über Konjunktur- und Steuerpolitik, sind die Schüler erstaunlich ruhig. Plötzlich ergreift eine Schülerin mit langen blonden Haaren das Publikumsmikrofon: „Wann reden wir eigentlich über Bildungspolitik?“ Stille. Einer der Gäste habe darum gebeten, nicht über Bildungspolitik zu reden, erklärt kleinlaut ein Schüler. „Das ist schließlich Ländersache!“, outet sich der FDP-Mann als derjenige, der mit den Schülern nicht über das Thema reden will. Trotz dieser Steilvorlage ergreift keiner der Politiker die Chance, um die bildungspolitischen Positionen ihrer Parteien anzupreisen.

Johannes Pflug von der SPD spricht noch ein bisschen darüber, dass seine Partei den Bezug des Kurzarbeitergeldes auf 24 Monate verlängert habe. Mathias Schneider von den Grünen plädiert für eine nachhaltige Energiepolitik, alles andere sei eine Frage der Verteilung. Der Schulgong setzt den Schlusspunkt, die Schüler strömen aus der Aula. Beim Rausgehen regen sich zwei Schülerinnen über die Themenwahl ihrer Direktkandidaten auf: „Was denken sich die eigentlich, schließlich sind wir hier an einer Schule!“

Wahlfahrt09 hat vier Schülerinnen gefragt, wer sie überzeugt hat. Für ihre Antworten auf die Fotos klicken!

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Wahlgangster in Gevelsberg http://www.wahlfahrt09.de/orte/wahlgangster-in-gevelsberg/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=wahlgangster-in-gevelsberg http://www.wahlfahrt09.de/orte/wahlgangster-in-gevelsberg/#comments Thu, 10 Sep 2009 10:37:25 +0000 JC Kage http://www.wahlfahrt09.de/?p=3030

GEVELSBERG. Das erste Mal ist oft schwer. Gerade wenn 18jährige wählen sollen, die sich im Alltag noch kaum mit Politik auseinandergesetzt haben. Seit Jahren geht die Zahl der Erstwähler zurück. Die Studenten der “Wahlgang” besuchen deswegen Schulen, um den Jugendlichen bei der ersten schweren Wahl Entscheidungshilfen zu geben. Wir waren in Gevelsberg dabei.

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Jamaika lässt die Grünen blass aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/jamaika-lasst-die-grunen-blass-aussehen/#comments Mon, 07 Sep 2009 14:34:56 +0000 Lu Yen Roloff, Ute Zauft http://www.wahlfahrt09.de/?p=2888 Wiesbaden_jamaika-4

Foto: Milos Djuric

Erschienen am 17. September auf Spiegel Online

WIESBADEN. Darf’s ein bisschen exotischer sein? Das Saarland könnte bald die erste Jamaika-Koalition auf Landesebene bekommen. Im Wiesbadener Rathaus regiert Schwarz-Gelb-Grün bereits seit 2006. Zu kämpfen haben damit vor allem die Grünen.

Zwischen grünen Luftballons und Kisten mit Waldmeisterbrausetüten macht der Junggrüne Daniel Herwig in der Wiesbadener Fußgängerzone Wahlkampf – und gerät dabei zwischen die Fronten. „Was sagst Du den zur EBS?“ wirft ihm ein grauhaariger Mann mit Rucksack entgegen.

Plötzlich muss Herwig seine Partei gegenüber seinem ehemaligen Sportlehrer verteidigen. Im Stadtparlament haben die Grünen mit ihren Jamaikapartnern dafür gestimmt, ein ehemaliges Gerichtsgebäude mit zehn Millionen Euro zu sanieren, damit dort die European Business School, kurz EBS, einziehen kann. Die EBS macht Wiesbaden zur Universitätsstadt, ist aber auch eine Privatuniversität mit Studiengebühren von 13000 Euro pro Jahr. „Es ist nicht Aufgabe staatlicher Bildungspolitik, versnobbte Manager auszubilden“, empört sich der Lehrer. Er ist selbst seit 1993 bei den Grünen, nun aber enttäuscht über die grüne Fraktion im Stadtparlament, die seiner Meinung nach keine grüne Politik macht. Und überhaupt, gegen das geplante Kohlekraftwerk habe sie sich auch nicht stark genug positioniert.

Wiesbaden ist eine von sechs Kommunen, die den Versuch einer Jamaika-Koalition gewagt haben. Taugt das Beispiel Jamaika für Land oder Bund? Bislang hat es die Zusammenarbeit von CDU, Grünen und FDP noch nie über die kommunale Ebene hinausgeschafft.

Meist sind es die Grünen, die eine Koalition mit ihrem größten politischen Gegner, der FDP, ausschließen. In Frankfurt am Main zerbrach eine bereits ausgehandelte Koalition im Jahr 2001 nach nur einem Tag. Auch im hessischen Wiesbaden startete Schwarz-Gelb-Grün nur deswegen, weil sich SPD und CDU als ursprüngliche Koalitionsaspiranten während der Verhandlungen entzweit hatten. Hier hat die CDU mit 29 Mandaten eine klare Machtposition gegenüber ihren Koalitionspartnern: Die Grünen besitzen zehn Mandate, die FDP sieben.

Massenaustritt bei den Jungen Grünen

Die Ansiedlung der European Business School in Wiesbaden gilt als Prestigeprojekt des Oberbürgermeisters Helmut Müller. Der CDU-Mann ist zwar von den Wiesbadenern direkt gewählt, doch weiß er mit der CDU-geführten Koalition im Stadtparlament eine starke Mehrheit hinter sich. Die Koalition laufe prima, sagt er. „Alle wollen, dass sich die Hochschule in Wiesbaden ansiedelt, damit wir ein Wissenschaftsstandort werden.“

Viele Grüne an der Basis sehen das anders: Nachdem die Fraktion trotz Mitgliederentscheid für die Sanierung des EBS-Gebäudes mit städtischem Geld gestimmt hatte, trat mehr als die Hälfte der Wiesbadener jungen Grünen aus der Jugendorganisation der Partei aus. Ihr Vorwurf: Statt öffentliche Schulen zu sanieren, stütze man teure Privatunis. Auch der Junggrüne Herwig sagt, die grüne Fraktion vertrete ihre Positionen innerhalb der Koalition bisweilen nicht selbstbewusst genug – aus Angst vor einem Koalitionsbruch.

Die Wiesbadener haben ihre eigenen Meinungen zu der Koalitionsdisziplin der Grünen. Zwischen den Wahlkampfständen steht Rentner Herbert Müller – und spricht aus, was viele über die Grünen denken: „Die Grünen haben sich entlarvt: Wenn es um die Macht geht, dann wird verkleistert.“ Jamaika sei ein reines Zweckbündnis von Individuen, die sich gut bezahlte Posten sichern wollten. Für den ehemaligen Verwaltungsangestellten Müller ist die Sache klar: „Dabei kommt etwas raus, was nicht Fisch und nicht Fleisch ist – was die Grünen unter Jamaika machen, kann niemals grüne Politik sein.“

Streit ums Kohlekraftwerk

Noch deutlicher werden die Schwierigkeiten von Jamaika, wenn es um das geplantes Kohlekraftwerk geht. Das Kraftwerk, das der lokale Energieerzeuger bauen will, widerspricht der grünen Forderung nach einer nachhaltigen Energiepolitik. Im Koalitionsvertrag steht allerdings nur, dass die Koalition den Bau des Kraftwerks „kritisch“ sehe. An diesem Punkt sagt selbst der sonst loyale Junggrüne Herwig: „Das klingt für mich wie ausgeklammert.“ Tatsächlich rächte sich die vage Formulierung, als der Bau 2007 akut wurde: Die Bürger gingen auf die Straße, in der Stadt gründete sich ein Bündnis gegen das Kraftwerk, und die grüne Parteibasis forderte die Fraktion zum Handeln auf: Unter Führung der Fraktion solle das Stadtparlament den Vorstand des Energieerzeugers zum Baustopp auffordern. Trotz Veto von FDP und CDU brachten die Grünen den Antrag ein und gewannen dafür eine Mehrheit außerhalb der Koalition. Jamaika drohte zu zerbrechen.

In der Konfrontation mit Jamaika kann die SPD mit einer starken Oppositionspolitik punkten. Im Gegensatz zu den Grünen konnten sie sowohl gegen das Kohlekraftwerk als auch gegen die Sanierung des Gerichtsgebäudes für die Privatuni klar Position ergreifen. „Die SPD hat nichts dagegen, wenn Grüne und FDP sich streiten“, sagt Christoph Manjura. Er ist jugendpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Rathaus. Am Wahlkampfstand verteilt er wie seine Genossen Kugelschreiber und Flyer an vorbeischlendernde Passanten. Die SPD freut sich über den Zwist in der Koalition, hört man auch von anderen am Stand: Ließe sich doch jeder Kompromiss in der Koalition sowohl gegen die Einen wie die Anderen verwenden.

Atmosphärische Störungen

Beim CDU-Stand will man vom Stunk mit der grünen Fraktion dagegen zunächst nichts wissen. Karsten Koch, Sprecher für Planung, Bau und Verkehr, lobt sogar den Verkehrssprecher der Grünen als „verlässlichen Mann“: „Es läuft inhaltlich gut, wir können ordentlich was vorweisen“, sagt er. Man habe „überraschende Gemeinsamkeiten“ festgestellt, die auch auf Bundesebene bestünden: Etwa den Schutz des ungeborenen Lebens und die Bewahrung der Schöpfung vor Gentechnik. Da lägen christlicher Hintergrund und grüne Ansichten nah beieinander. Gut, es gebe gewisse „atmosphärische Störungen“ bei den Grünen, fügt er dann hinzu. „Man bekommt mit, dass Jamaika für die Fraktion eine große Zerreißprobe ist. Wir hoffen, dass die Koalition bis zum Ende der Legislaturperiode hält.“

Im Streit um den Grünen-Antrag zum Kohlkraftwerk konnte die Koalition gerade noch dadurch gerettet werden, dass der Bürgermeister den außerkoalitionären Beschluss als rechtswidrig ablehnte: Das Parlament könne nicht in die geschäftlichen Entscheidungen des Energieerzeugers eingreifen. Aufgrund der Wirtschaftskrise hat der Energieerzeuger inzwischen Schwierigkeiten, den Bau des Kohlekraftwerks zu finanzieren. Ob das Kohlekraftwerk kommt, ist derzeit offen, doch der Konflikt bleibt ungelöst.

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Wie sich Politik beschleunigen lässt http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/grenzstreit-um-konstanzer-schulen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=grenzstreit-um-konstanzer-schulen http://www.wahlfahrt09.de/geschichten/grenzstreit-um-konstanzer-schulen/#comments Thu, 27 Aug 2009 06:00:30 +0000 Paula Scheidt http://www.wahlfahrt09.de/?p=1696 Michael Breuninger hat sich als einziger der Betroffenen im Schulstreit öffentlich bekannt (Foto: Milos Djuric)

Michael Breuninger hat sich als einziger der Betroffenen im Schulstreit öffentlich bekannt (Foto: Milos Djuric)

KONSTANZ. Weil die Konstanzer Gymnasien bei den in der Schweiz wohnhaften Exil-Deutschen so beliebt sind, werden Kinder aus Konstanz abgewiesen. Einspruch zwecklos – doch einem Familienvater hilft die baden-württembergische Landesregierung in Rekordtempo. Dem Wahlkampf sei dank.

So eine schnelle Antwort hätte Michael Breuninger sich nicht träumen lassen. Nur drei Tage zuvor hatte er den Brief zur Post gebracht. „Sehr geehrter Herr Oettinger“, hatte er geschrieben, „wir brauchen Ihre Hilfe!“ Das Wort „Hilfe“ hatte er fett gedruckt und unterstrichen, jeden einzelnen Satz mit einem Ausrufezeichen versehen. „Trotz bester Noten hat meine Tochter keinen Platz an ihrem Wunschgymnasium bekommen!“ Der Mann, der kurz darauf in Breuningers Café am Tresen auftauchte, kam aus Stuttgart. Er wollte wissen, was denn da los sei mit Breuningers Tochter Sandrina und deren Absage für das Humboldt-Gymnasium.

Nichts erzählt Breuninger lieber als das.

Trotz einer Empfehlung war seine Tochter im Mai von ihrem Wunschgymnasium abgelehnt worden. Es gebe nicht genug Plätze und eine andere Schule liege auch näher zum Wohnsitz der Breuningers. Man empfahl Sandrina, sich dort anzumelden. Breuninger legte Einspruch beim Schulleiter ein, der wurde abgelehnt. „Dabei ist unsere Tochter ein Ass in Mathe und hat die besten Noten“ sagt Breuninger voller Bewunderung, er und seine Frau hätten „nur“ mittlere Reife. Wegen des sehr guten Rufs musste es in Breuningers Augen unbedingt das naturwissenschaftliche Humboldt-Gymnasium sein. Dass seine Tochter keinen Platz bekommen sollte, obwohl sie die Anforderungen erfüllte, wollte ihm nicht in den Kopf.

Breuninger ging zur Presse – und heraus kam, dass er nicht der einzige war, dessen Kind abgelehnt wurde. Mindestens neun weitere Fälle wurden bekannt. Gleichzeitig jedoch wurden Kinder von Deutschen, die in der Schweiz wohnten, angenommen. Seit das Nachbarland vor zwei Jahren die Einwanderungsbestimmungen gelockert hat, sind viele Deutsche aus der Bodenseeregion über die Grenze gezogen. Und die schicken ihre Kinder gern weiter in Deutschland zur Schule.

Nehmen deutsche Auswanderer also Deutschen die Schulplätze weg? Eigentlich geht das nicht, denn gesetzlich müssen Inländer bevorzugt werden. Immerhin zahlen die Eltern in der Schweiz Steuern, also sollten ihre Kinder auch dort zur Schule gehen. Breuninger versteht die Präferenz für deutsche Schulen sowieso nicht: „Das Schweizer Schulsystem hat doch einen sehr guten Ruf!“

Er beschwerte sich wieder, eine Ebene höher, beim Regierungspräsidium in Freiburg. Dort kennt man die Eskalationsgefahr von schweizerisch-deutschen Grenzkonflikten nur zu gut. Alfons Bank, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit nennt das Grenzverhältnis „nicht ganz emotionsfrei“. Fingerspitzengefühl sei gefragt, um Konflikte wie den um Fluglärm oder Verpachtung von Land zu lösen. Denn: „Wir sind an guten Grenzbeziehungen sehr interessiert.“ Den Einspruch von Breuninger lehnte er dann auch ab – weil angeblich seit Jahren alle Schüler unanhängig vom Wohnsitz gleich behandelt würden.

Also schrieb Breuninger den Brief an den Ministerpräsidenten. Der handelte blitzschnell: Schon zwei Tage nach dem unerwarteten Besuch aus Stuttgart bekam Breuninger ein Schreiben vom Humboldt-Gymnasium. Nun wurde Sandrina doch zugelassen. „Wir helfen ihrem Widerspruch ab“, stand in dem Brief. Mehr nicht. Breuninger ist die Freude deutlich anzusehen, wenn er von der überraschenden Wende erzählt. Aber er sagt auch: „Ich will mir den Erfolg nicht auf die eigene Fahne schreiben. Würden wir uns nicht im Wahlkampf befinden, hätte das nie und nimmer geklappt.“

Für den Politologen Jochen Voss ist die Reaktion des Kultusministeriums nichts als ein „politisches Symbol“. Er ist Experte für Wahlkampfmethoden und hat beobachtet: Solche Hauruck-Aktionen setzen Politiker vor Wahlen gerne einsetzen, um die Bürger zu beeindrucken und zu zeigen: Wir sind da und tun etwas für euch. „Je mehr der Wahlkampf in den Medien stattfindet, desto stärker setzen Politiker auf symbolische Politik, indem sie komplexe Probleme vereinfachen und emotionalisieren.“

Auch Frank Brettschneider, Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaften an der Universität Hohenheim vermutet den Wahlkampf als Grund für die schnelle Reaktion. „Die Bildungspolitik in Baden-Württemberg hat in letzter Zeit immer wieder hohe Wellen geschlagen“, sagt er. Die Landesregierung habe so kurz vor der Wahl sicher kein Interesse an negativen Schlagzeilen zum Thema Schule.

Beim Kultusministerium in Stuttgart gibt man sich einsilbig: „Der Fall Konstanz ist erledigt.“ Die nötigen Gesetze existierten bereits. Das Regierungspräsidium Freiburg ist hingegen noch dabei, diese auszulegen. „Wir sind noch auf der Suche nach einer Lösung. Wie nächstes Jahr entschieden wird, steht offen“, sagt Alfons Bank, Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit. Dass der Wahlkampf die vorläufige Kehrtwende herbeigeführt habe, bestreitet er.

Auch die anderen neun Kinder, die zuvor abgewiesen worden waren, haben nun einen Platz am gewünschten Gymnasium bekommen. „Dafür fehlen uns aber die Räume, für die wir seit Jahren kämpfen“, sagte Jürgen Kaz, Schulleiter des Humboldt-Gymnasiums, nach der Entscheidung dem Südkurier. Die Zahl der in der Schweiz wohnenden Schüler  an Konstanzer Gymnasien nimmt der Zeitung zufolge zu. Vor zwei Jahren seien es 122, im vergangenen Jahr 145 und derzeit sogar 188.

Wahlkampf hin oder her. Breuninger ist zufrieden, er hat sein Ziel erreicht: Sandrina wird wie gewünscht ab dem neuen Schuljahr das Humboldt-Gymnasium besuchen. Vor kurzem hat er noch einen zweiten Brief nach Stuttgart geschrieben: „Sehr geehrter Herr Oettinger, wenn Sie irgendwann wieder einmal in Konstanz sind und einen guten Cappuccino trinken möchten, wären Sie natürlich, als kleines Dankeschön, gerne mein Gast.“

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“Vorbeugen ist besser, als auf die Schuhe kotzen” http://www.wahlfahrt09.de/menschen/vorbeugen-ist-besser-als-auf-die-schuhe-kotzen/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=vorbeugen-ist-besser-als-auf-die-schuhe-kotzen http://www.wahlfahrt09.de/menschen/vorbeugen-ist-besser-als-auf-die-schuhe-kotzen/#comments Tue, 18 Aug 2009 08:56:42 +0000 Ulrike Linzer http://www.wahlfahrt09.de/?p=674 Magda_Johannes_300x180HALLEFoto: Sylvie Gagelmann

href=”http://www.wahlfahrt09.de/halle/”>. Johannes Peisker, 26, Politikstudent in Halle, kommt ursprünglich aus Rudolstadt in Thüringen. Zusammen mit Magdalena Wolf (28) engagiert sich für den Erhalt leerstehender Altbauten und bei Ärzte ohne Grenzen. In diesem Jahr überlegt er die Piratenpartei zu wählen.

Wofür vom Staat Geld ausgegeben wird – Gesundheit, Militär, Bildung – da wünsche mir andere Prioritäten: Mein Ziel wäre es, dass man nichts für Militär ausgibt, mehr für Gesundheit und noch viel mehr für Bildung.

Vorbeugen ist besser als auf die Schuhe kotzen. Das klingt jetzt furchtbar elitär. Aber das Bildung eine Zentrale auch bei der Gesundheit spielt, sieht man daran, dass Menschen, die eine gute Bildung haben, viel gesünder leben. Und das nicht nur, weil sie sich bessere Medikamente leisten können, sondern auch weil das Wissen darum eine wichtige Rolle spielt, wie man sich gesund ernährt, und dass Sport und Bewegung wichtig sind.

Bei den Wahlen tendiere ich im Moment zur Piratenpartei. Die sind noch recht neu und unverbraucht. Und Bildung ist denen auch wichitg. Natürlich liegt ihr Schwerpunkt auf Datenschutz und Urheberrecht , aber der ganze Bildungsbereich spielt da auch mit herein.Das ist was, da könnte ich mich im Moment am ehesten mit identifzieren. Die andern Parteien in ihrer jetztigen Form, da kann ich nicht viel mit anfangen.

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